Mit Schockanrufen ein Vermögen erbeutet

Stand: 02.09.2022, 14:50 Uhr

Ein Ehepaar aus Soest bekommt einen Schockanruf. Es glaubt den Betrügern und verliert nicht nur Schmuck im Wert von 40.000 Euro, sondern holt auch noch 100.000 in bar von der Bank.

Von Heinrich Buttermann

Die Polizei warnt weiter eindringlich vor Schockanrufen und ihren extremen Folgen. Fast täglich versuchen Betrüger per Telefon ihre Opfer in Gespräche zu verwickeln. Die Täter rufen an und behaupten, Kinder oder Enkel zu sein. Unter Tränen schildern sie, dass sie in Not seien, zum Beispiel einen schlimmen Unfall gebaut hätten.

Frau am Telefon

Danach übernehmen angebliche Polizeibeamte oder Rechtsanwälte. Das Ziel: Die Opfer sollen Geld oder Schmuck übergeben, zum Beispiel um Kautionen zu bezahlen. Einem Rentnerehepaar aus dem Kreis Soest ist genau das passiert.

Das Ehepaar aus dem Kreis Soest möchte nicht erkannt werden. "Dass uns so etwas passieren kann, damit haben wir nie gerechnet," sagen beide. Doch dann klingelte an einem Vormittag das Telefon und die Welt war von einer Sekunde auf die andere nicht mehr so, wie sie war.

"Papa, mir ist etwas Schlimmes passiert," hört der Rentner am Telefon.

"Das ist so, als wenn der Blitz einschlägt," schildert der Rentner: "Man ist sofort geschockt. Meine Frau konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, ihr wurde schwindelig und fast übel und ich selber konnte auch nicht mehr stehen. In dem Moment kam uns der Gedanke: Unser Leben hat sich verändert- und es wird nie wieder so wie zuvor."

Schmuck im Wert von 40.000 Euro weg

Am anderen Ende der Leitung ein lautes Schluchzen. "Papa, ein ganz schlimmer Unfall" wird weinend gestammelt. Der Angerufene ist sich sicher: Das ist die eigene Tochter, die er da ganz kurz gehört hat. Dann übernimmt auch schon ein angeblicher Hauptkommissar. Er nennt Details zum schweren Unfall, schildert, dass seine Tochter ein Kind tot gefahren habe.

Die Mutter des Kindes sei so schwer verletzt, dass sie in den nächsten Stunden sterben würde. Deshalb müsse die Tochter in Untersuchungshaft. Ganz geschickt werden nebenbei Daten abgefragt, mit denen andere Anrufer später Wissen vortäuschen und Vertrauen erschleichen.

Geldübergabe

So übernimmt ein abgeblicher Rechtsanwalt aus der Heimatstadt des Ehepaares das Gespräch: Er habe die Möglichkeit, die Untersuchungshaft abzuwenden. Dafür benötige er ganz schnell eine hohe Kautionszahlung.

"In dem Moment haben wir nicht mehr nachgedacht, nur noch funktioniert," beschreibt der Rentner seine Not. Schnell wurde der wertvolle Familienschmuck zusammengesucht. Alte Erbstücke, Ringe, Ketten im Wert von rund 40.000 Euro wurden einer Botin übergeben.

Der Druck ist riesengroß

Über 100.000 Euro holte das Ehepaar von der Bank. Die Mitarbeiterin dort fragte noch, ob er bedroht werde. Der Senior sagt "Nein": Er will die Rettung seiner Tochter auf gar keinen Fall gefährden.

"Die Täter bauen einen unheimlichen Druck auf. Belagern ihre Opfer meistens gleichzeitig per Handy und Festnetztelefon, lassen gar keine Zeit fürs Nachdenken und Hinterfragen." Wolfgang Lückenkemper, Polizei Soest

Deshalb der dringende Rat: Sofort auflegen. Denn je länger man sich auf die Betrüger einlasse, desto größer sei ihre Chance, dass sie irgendwie doch an Geld kommen. Denn nach und nach treten falsche Polizisten, erfundene Staatsanwälte oder angebliche Bankmitarbeiter auf, flechten so ein Spinnennetz, aus dem viele nicht mehr herauskommen.

Das Ehepaar aus dem Kreis Soest ist mit einem dunkelblauen Auge davon gekommen. Der Familienschmuck ist weg, die Übergabe der hohen Bargeldsumme hat zum Glück nicht geklappt. Irgendwann war dem Rentner doch aufgefallen, dass da irgendetwas nicht stimmen konnte.

Dann kam der erlösende Anruf des Schwiegersohnes: Der Tochter gehe es gut, es sei nichts passiert. Die Erleichterung war riesengroß - und nur der Schmuck weg.