Plädoyers und Urteil zum Säureprozess am Landgericht Wuppertal

Lokalzeit aus Düsseldorf 19.02.2024 02:33 Min. Verfügbar bis 19.02.2026 WDR Von Wolfram Lumpe

Zweites Urteil nach Haaner Säureanschlag: 11 Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung

Stand: 19.02.2024, 17:12 Uhr

Im Prozess um den Säure-Anschlag auf den Haaner Energiemanager Bernhard Günther hat das Landgericht Wuppertal ein zweites Urteil gefällt. Ein 37-Jähriger muss elf Jahre in Haft - wegen schwerer Körperverletzung.

Von Wolfram Lumpe

Für die Kammer ist die Schuld des Angeklagten erwiesen. So hat es der Vorsitzende Richter am Montag ausgeführt. Es wiege schwer, dass sich der schon verurteilte Täter und der Angeklagte aus dem Rotlichtmilieu kannten. Beiden sei von unbekannt gebliebenen Hintermännern als Belohnung Geld und eine Stellung in eben diesem Milieu versprochen worden - davon sei auszugehen. Außerdem habe Bernhard Günter seinen Angreifer erkannt. Auch das wiege schwer.

Die Staatsanwaltschaft hatte am Montag vor dem Landegericht Wuppertal zwölf Jahre Haft beantragt, der Verteidiger Freispruch gefordert.

In ihrem Plädoyer hatte die Staatsanwältin eindeutig klar gemacht: Der 37-Jährige ist der zweite Täter. Er habe wie sein rechtskräftig verurteilter Mittäter das Ziel gehabt, Bernhard Günther erblinden zu lassen. Der Manager sollte aus den Top-Regionen der bundesdeutschen Energie-Wirtschaft raus, so das Ziel des bis heute unbekannten Hintermannes und Auftraggebers der Täter. Genau so lautet auch der Verdacht, den Bernhard Günther selbst von Anfang an äußerte. 

Staatsanwaltschaft: Hinweisgeber hat Täter eindeutig erkannt 

Den Angeklagten habe ein entscheidender Hinweisgeber eindeutig als zweiten Täter genannt. Dieser hatte sich gemeldet, als Günter und sein damaliger Arbeitgeber Innogy hohe Belohnungen ausgelobt hatten. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor ihre Ermittlungen eingestellt. Die Behauptung des Angeklagten, er sei am Tattag gar nicht in Deutschland gewesen, sei widerlegt, so die Staatsanwältin. Sie bescheinigte Marco L. hohe kriminelle Energie. Die gravierenden gesundheitlichen und psychischen Konsequenzen der Tat für Günther und dessen Familie seien auch ihm anzulasten.  

Wer ist der Hintermann?

Martin Meinberg, Nebenklage-Anwalt von Bernhard Günther, schloss sich der Staatsanwältin an. Er bezeichnete seinen Mandanten als "bewundernswert". Günther habe die Tat und die Prozesse mit "Disziplin und Durchhaltevermögen" durchgestanden. Auch er habe keinen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten. "Leider gibt es bis jetzt aber keinen Aufschluss über den Hintermann. Das ist nach wie vor das größte Anliegen von Bernhard Günther.

Verteidiger forderte Freispruch

Verteidiger Urban Slamal hatte in seinem engagierten wie furiosen Plädoyer eine klare Hauptaussage: Sein Mandant müsse freigesprochen werden. Günther habe ihn an keiner Stelle zweifelsfrei erkannt. Zwei Mal seien ihm Lichtbilder vorgelegt worden, nie habe er den Angeklagten zweifelsfrei erkannt. Dazu komme, dass die Staatsanwaltschaft noch im April 2022 das Verfahren gegen ihn eingestellt habe - wegen nicht ausreichender Beweise. Und danach plötzlich ein Sinneswandel? Ein "Unding", so Slamal.

Außerdem habe der Angeklagte nach seiner zwischenzeitlichen Freilassung die Gelegenheit gehabt, zu fliehen, das aber nicht getan. Darüber hinaus kritisierte Slamal sowohl die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei, wie auch die Aussagen von Bernhard Günther. Sie seien an vielen Stellen widersprüchlich gewesen. Die Verteidigung hält die Beweise für nicht ausreichend und will auf jeden Fall in Revision gehen.

Günther wurde bei dem Anschlag im März 2018 schwer verletzt, Augenlider und Teile seiner Gesichtshaut mussten transplantiert werden. Der Manager war damals Finanzchef des Energiekonzerns Innogy, der wenige Tage später vom Eon-Konzern übernommen wurde. Heute ist er Manager beim finnischen Energieversorger Fortum mit mehr als 19 000 Mitarbeitern.

Tat bleibt weiter zum Teil unaufgeklärt

Das einmalige wie aufsehenerregende Wirtschaftsverbrechen wird auch nach dem Urteil zum Teil unaufgeklärt bleiben. Ein zweiter Tatverdächtiger war bereits im vergangenen Jahr zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Bei dem jetzt in erster Instanz verurteilten Mann soll es sich um dessen Komplizen handeln. 

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