Er soll einem 51-Jährigen mit voller Wucht unters Kinn getreten haben, als der einen Streit auf einer Weihnachtsfeier Mitte Dezember vergangenen Jahres schlichten wollte. Er fiel ins Koma, zwei Wochen später starb er.
"Diese Sinnlosigkeit ist nicht zu ertragen", sagt Kerstin Hollmann in Saal 1 des Landgerichts Bielefeld. Die Witwe ist Nebenklägerin in dem Prozess. Ihr Ehemann war eigentlich unbeteiligt am Streit. Heute will Kerstin Hollmann den Richtern und Schöffen der 1. Großen Strafkammer erzählen, wie es ihr geht. Anfang Januar habe sich eine graue Decke über ihr Leben gelegt. Am 1. Januar habe sie zusammen mit ihren erwachsenen Kindern entschieden, dass die Herz-Lungenmaschine ihres Mannes abgeschaltet werden. Die erlittenen Hirnschäden waren irreparabel. 30 Jahre seien sie und ihr Mann Ralf zusammen gewesen, davon 26 glücklich verheiratet.
"Mit dem Tritt war das Licht aus"
Kerstin Hollmann berichtet von Gesprächen mit Ärzten und Schwestern im Krankenhaus. Niemand habe ihr Hoffnung machen können. Die Verletzungen ihres Mannes waren zu schwer. "Ihr Mann hat nicht gelitten, mit dem Tritt war das Licht aus", die Witwe zitiert den Oberarzt, der ihren Mann behandelt hat. "Das tröstet ein wenig", sagt sie im Interview mit dem WDR.
Äußerlich wirkt die 54-Jährige gelassen, innerlich ist sie angespannt. Es sei schwer zu ertragen dem mutmaßlichen Täter so nah zu sein. Sie sitzt ihm gegenüber, keine drei Meter entfernt. Der Angeklagte versucht Blickkontakte zu vermeiden.
Besonderes Tattoo zur Erinnerung

Das Tattoo mit der Handschrift von Ralf
Kerstin Hollmann zeigt ihren rechten Unterarm. "Ich liebe dich" steht dort. Es ist die Handschrift ihres Mannes. Vorlage sei ein Zettel gewesen, den sie nach dem Tod ihres Mannes beim Aufräumen gefunden habe. "Den muss er mir irgendwann unbemerkt in die Handyhülle gesteckt haben", sagt die Witwe. Eigentlich möge sie keine Tattoos, aber diese drei Worte habe sie sich nun stechen lassen. "Jetzt trage ich ihn für immer unter der Haut". Das sei ein sehr gutes Gefühl, ergänzt Kerstin Hollmann.
Weihnachtsfeier eskalierte
Am 18. Dezember feierten mehrere Firmen parallel in einer Gaststätte in Steinhagen. Ralf Hollmann, das spätere Opfer, habe sich so auf die Weihnachtsfeier gefreut, sagt seine Frau. Um 4.04 Uhr habe er ihr noch eine Nachricht geschickt. Sinngemäß so: Komme gleich, warte aufs Taxi. Doch dann passierte es. Mehrere Personen hielten sich vor der Gaststätte auf. Laut Anklage stritten sich zwei Personen: der Angeklagte und ein guter Bekannter von Ralf Hollmann. Der 51-Jährige sei dazwischen gegangen, wollte die Situation beruhigen.

Die Witwe des Opfers zeigt das Tattoo
Es gab offensichtlich ein Handgemenge, dabei fiel die Brille von Ralf Hollmann auf den Boden. Als er sich bückte, um sie aufzuheben traf ihn der Tritt unter seinem Kinn. Der Angeklagte soll zwei bis drei Meter Anlauf genommen und mit voller Wucht zugetreten haben. Hollmann schlug mit dem Kopf auf den Asphalt. Etwa eine halbe Stunde später lag er schon im OP. Doch es half nicht mehr.
Staatsanwalt fordert lange Haftstrafe
Der Staatsanwalt forderte am Ende seines Plädoyers eine Haftstrafe von fünf Jahren und zehn Monaten. Der Angeklagte habe sich der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig gemacht.
Der Angeklagte selbst berief sich im Prozess auf Erinnerungslücken aufgrund des Alkoholkonsums während der Feier. Sein Verteidiger forderte eine mildere Strafe. Sechs Monate auf Bewährung seien angemessen.
Das Urteil will das Landgericht Bielefeld am Mittwoch, 23. August 2023 verkünden.
Über dieses Thema berichtet wir in der Lokalzeit aus OWL am 22.08.2023 um 19:30 Uhr.