Physician Assistant: Kassenärztliche Vereinigung testet neues Arzt-Assistenten-Modell, um Hausärzt:innen zu entlasten
Lokalzeit Münsterland. 18.08.2023. 02:39 Min.. Verfügbar bis 18.08.2025. WDR. Von Markus Wollnik.
Volle Arztpraxen: "Physician Assistant" unterstützt Hausarzt in Ochtrup
Stand: 18.08.2023, 20:00 Uhr
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Von Petra Brönstrup
Im Untersuchungszimmer einer Hausarztpraxis in Ochtrup (Kreis Steinfurt): Jule Hörmann bittet eine Patientin, auf der Liege Platz zu nehmen und den Oberkörper frei zu machen. Die Patientin klagt über Herzbeschwerden. "Heute Nacht um vier, halb fünf fing das an, dass die Pumpe die ganze Zeit geht." Jule Hörmann misst bei der Frau zunächst den Blutdruck und macht dann ein EKG.
Was der Arzt nicht schafft
Jule Hörmann war vorher in der Krankenpflege tätig
"Ihr Herz schlägt auf jeden Fall rhythmisch, und so akut erkenne ich jetzt gerade keine großen Auffälligkeiten. Der Puls schlägt ein bisschen schnell", erklärt Jule Hörmann der Patientin. Die 25-Jährige ist "Physician Assistant" oder Arzt-Assistentin, mit der Aufgabe, den Arzt so gut es geht zu entlasten und erste medizinische Einschätzungen vorzunehmen. Dafür hat die ausgebildete Krankenpflegerin drei Jahre lang berufsbegleitend an einer Hochschule studiert. Den Arzt ersetzt sie damit aber nicht.
Sebastian Gesenhues betritt das Untersuchungszimmer. Er ist der Arzt in der Ochtruper Praxis und hat bereits in den Computer geschaut, was die Untersuchungen ergeben haben, die Jule Hörmann durchgeführt hat. Sie hat zusätzlich noch Herztöne abgehört und Blut abgenommen. "EKG ist alles in Ordnung. Da können wir Sie auf jeden Fall schon mal beruhigen", sagt Hausarzt Sebastian Gesenhues. Er hält inne. Das Gerät neben ihm auf dem Sideboard piept.
Die Diagnose stellt weiterhin der Arzt
Nach der Untersuchung: Sebastian Gesenhues übermittelt die Diagnose
"Wir haben auch die Blutwerte sofort", sagt der Arzt und rollt auf dem Hocker durch den Raum, zum Computer, wo "Physician Assistant" Jule Hörmann bereitsteht und die Blutwerte eingibt. "Also letztendlich gute Nachrichten. Wenn man alles zusammenfasst, von den Untersuchungen her, vom EKG und auch von den Blutwerten können wir sehr zufrieden sein", kann der Arzt die Patientin beruhigen. "Wir haben eine Lungenembolie ausgeschlossen, einen Herzinfarkt. Herzrhythmusstörungen liegen auch nicht vor. Also rein formal brauchen Sie sich um ihr Herz-Kreislauf-System keine Sorgen zu machen."
Patientin zufrieden
Die Patientin ist einigermaßen beruhigt. Dass sie zunächst von einer Arzt-Assistentin untersucht wurde und der Arzt erst zum Schluss für die Beurteilung dazukam, findet sie in Ordnung. "Ich habe vollstes Vertrauen", sagt die Patientin. "Es sind ja im Notfall genügend Leute da, die mit draufgucken können."
Im Untersuchungszimmer nebenan wartet bereits eine weitere Patientin. Sie will ihre Schilddrüse untersuchen lassen. Auch hier ist Arzt-Assistentin Jule Hörmann zur Stelle. Sie bittet die Patientin, sich auf die Liege zu legen. Währenddessen bereitet Jule Hörmann alles für die Ultraschalluntersuchung vor, die sie dann selbst durchführt.
Arzt-Assistentin Jule Hörmann bei der Ultraschalluntersuchung
Die Arzt-Assistentin liebt ihre Arbeit: "Weil man vor allem auch zum Ansprechpartner der Patienten wird. Die Aufgaben fokussieren sich mehr auf die medizinischen Tätigkeiten, weniger auf die Pflege. Und ich finde es auch schön, Kompetenzen dazuzulernen." Wichtig ist für sie, dass die Patienten ihr vertrauen.
"Physician Assistants": Reaktion auf mangelhafte Gesundheitsversorgung
Die Idee, Ärzten qualifizierte Assistenten zur Seite zu stellen, damit die mehr Zeit für schwerkranke Patienten oder komplizierte Fälle haben, stammt aus den USA. Dort werden "Physician Assistants" seit den 1960er Jahren ausgebildet, mit der fortschreitenden Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in den USA wurden diese Assistenten dann zur festen Institution.
In Deutschland startete der erste Studiengang 2005 an einer Hochschule in Berlin mit 12 Studierenden. Inzwischen gibt es weitere Hochschulen, die das kostenpflichtige PA-Studium anbieten, darunter eine private Fachhochschule in Düsseldorf.
Wissenschaftlich begleitetes Modellprojekt
Im März 2023 hat die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe ein Modellprojekt zur Erprobung von Arzt-Assistenten in Arztpraxen gestartet. Mit im Boot sind die Hochschule für Gesundheit, Soziales und Pädagogik in Rheine sowie die Deutsche Gesellschaft für Physician Assistants mit Sitz in Wermelskirchen. Sie wollen in den nächsten zwei Jahren herausfinden, wie effektiv Arzt-Assistenten in die Arbeitsabläufe integriert werden und wie sehr sie Ärzte und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten können.
An diesem Modellprojekt ist auch die Hausarztpraxis von Sebastian Gesenhues in Ochtrup beteiligt, wo Arzt-Assistentin Jule Hörmann arbeitet. Gesenhues sieht nur Vorteile: "Wir gewinnen Zeit für Patientinnen und Patienten, wo wir ärztlich auch wirklich tätig sein müssen und auch wollen und wo weniger wichtige, banale Behandlungsanlässe in Teilen delegiert werden können." Arbeitsteilung in der Arztpraxis. Jule Hörmann ist in Ochtrup dabei.