Maren Hirschberg: Glückliches Leben trotz MS

Stand: 30.05.2022, 09:28 Uhr

Multiple Sklerose - die Krankheit der 1000 Gesichter. Eine Krankheit, bei der es kein einheitliches Krankheitsbild gibt. Deswegen erhalten viele Betroffene erst nach Jahren die Diagnose. So auch Maren Hirschberg. Im Interview erzählt sie uns anlässlich des Welt-MS-Tages ihre Geschichte.

Maren Hirschberg bekommt als 20-Jährige die Diagnose - nach Jahren der Ungewissheit. Doch anstatt sich der Krankheit zu unterwerfen, kämpft sie und lebt trotz MS ein erfülltes und glückliches Leben.

WDR: Wie würdest du dein heutiges Leben mit MS beschreiben?

Maren Hirschberg: Ich würde das so beschreiben, dass ich mit der Krankheit zusammen ein Team geworden bin. Die Krankheit bestimmt nicht mein Leben und ich bestimme aber auch nicht den Vorgang der Erkrankung.

Wir haben über die Jahre eigentlich einen Weg gefunden, wie wir zusammen harmonieren. Heute würde ich sogar sagen, dass die MS mir anstatt etwas zu nehmen, mir total viel gegeben hat. Kraft, Selbstbewusstsein, innerliche Kraft, äußerliche Kraft und die absolute Freude am Leben.

WDR: Bis zur Diagnose vergingen viele Jahre. Was ist in dieser Zeit passiert?

Hirschberg: Schon in der Schule hatte ich Symptome, die ich damals nicht deuten konnte. Kribbeln in den Händen oder verschwommenes Sehen. Wir sind dann immer zu Ärzten gegangen, aber die Ärzte wussten nicht, was das war und haben immer nur gesagt, ich würde mich anstellen.

So ging es über Jahre. Bis ich schlussendlich in eine Spezialklinik kam. Dort haben sie nach zahlreichen Untersuchungen endlich eine Diagnose stellen können: Multiple Sklerose.

WDR: Wie ging es dir nach der Diagnose?

Hirschberg: Ich war erleichtert. Auch wenn das jetzt komisch klingt. Endlich wusste ich, wogegen ich ankämpfen konnte. Die ganze Ungewissheit in den letzten Jahren hatte jetzt einen greifbaren Namen.

WDR: Wie haben Freunde und Familie auf die Diagnose reagiert?

Hirschberg: Als ich die Diagnose bekommen habe, waren natürlich erst mal alle Leute ein bisschen geschockt und keiner wusste so richtig, was ist eigentlich MS. Jeder hat das mal gehört und jeder hat irgendwo im Bekanntenkreis eine Person die MS hat, aber bei jedem ist es anders.

Viele Freunde und Bekannte kamen mit der Situation gar nicht zurecht, dass ich zum Beispiel heute 6 km laufen konnte, den nächsten Tag wollten meine Beine fast gar nicht und den übernächsten Tag konnte ich nicht zugreifen und habe die Müslischale in der Küche fallen lassen. In der Zeit habe ich gelernt, wer wirklich Freund ist, wer hinter einem steht und wer nur die Person braucht, die funktioniert.

WDR: Doch trotz Diagnose - dein körperlicher Zustand hat sich immer mehr verschlechtert.

Hirschberg: Das Problem war, das ich trotz Symptome immer weiter versucht habe, zu 100% zu funktionieren. Ich habe nicht auf meinen Körper gehört, habe Vollzeit gearbeitet. Auch mit Schmerzen. Ich war damals der Ansicht, ich darf nicht schwach sein, darf meine Kollegen und die Gesellschaft nicht enttäuschen.

Heute weiß ich, das war ein großer Fehler. Meiner Ärztin habe ich es zu verdanken, dass sie mir ein Ultimatum gesetzt hat. Entweder ich gehe in die Rente und verändere meiner Gesundheit zuliebe mein Leben oder die Symptome nehmen immer weiter zu.

Maren Hirschberg

Maren Hirschberg ist 30 Jahre alt und kommt aus Rüthen. Schon mit 12 Jahren hat sie erste Symptome, bekommt aber erst 8 Jahre später die Diagnose Multiple Sklerose.

WDR: Was passierte dann?

Hirschberg: Im Nachhinein war der Schritt in die Rente meine Rettung. Der Druck wurde rausgenommen. Dieser permanente Druck 'ich muss jetzt funktionieren, ich muss für die Arbeit da sein, ich muss, ich muss'. Das war weg und dadurch kam ich endlich wieder zur Ruhe.

Und als mein Körper gelernt hat, wir können die Pausen machen, die wir brauchen, hat glaube ich auch die Erkrankung endlich gemerkt 'ok, sie hat sich jetzt einen Weg gesucht, womit wir alle zusammen klarkommen als Team'.

Seitdem muss ich sagen, ist die MS recht ruhig geworden. Natürlich gibts immer wieder mal Schübe, die aus dem Nichts da sind, aber es ist nicht mehr so extrem und so häufig wie zu der Zeit, wo ich noch Vollzeit arbeiten war.

WDR: Wie lebst du heute?

Hirschberg: Die Krankheit hat mich total verändert. Früher habe ich immer sehr viel nachgedacht, sehr viel geplant. Es musste alles strukturiert laufen und mittlerweile plane ich vielleicht morgens, was über den Tag läuft, aber nicht Anfang der Woche, was Ende der Woche passiert.

Ich bin mittlerweile halt auch so stark, einfach mal Nein zu sagen, wenn ich denke, das schaffe ich heute nicht, dann sage ich Nein, und dann ist das für mich auch total in Ordnung.

WDR: Was hat dir in all dieser Zeit geholfen?

Maren Hirschberg: Ich habe in dieser Zeit gemerkt, dass mir meine Pferde und mein Hund sehr guttun. Für mich sind sie eine umfassende und umgreifende Komplettherapie. Ergotherapie, Physiotherapie, Psychotherapie.

Sobald ich bei meinen Tieren bin, vergesse ich alles um mich herum und das ist für mich einfach der Weg, den ich komplett für mich allein gefunden habe. Und ich finde, jeder muss aber auch selber seinen Weg gehen und seinen Weg suchen, aber für mich sind das definitiv die Tiere.

Das Interview führte Elisabeth Konstantinidis.