WDR: Pater Modenbach, wie fühlt es sich in der heutigen Zeit an, Teil der Kirche zu sein?
Siegfried Modenbach: Vielleicht hört sich das eigenartig an, aber ich bin immer noch gern in der Kirche und gern ein Teil von ihr. Auch wenn ich weiß, dass da Vieles im Argen liegt und erneuerungsbedürftig ist.
Wir brauchen z. B. eine erneuerte Sexualmoral, wir brauchen Reformen im Bereich der priesterlichen Lebensform, wir brauchen Verteilung von und Beteiligung an Macht in der Kirche und wo Menschen verletzt oder missbraucht wurden, muss entsprechend damit umgegangen werden.
Pater Siegfrid Modenbach
Andererseits erlebe ich z. B. vor Ort, also da, wo ich lebe und arbeite, eine lebendige, frohe und wache kirchliche Gemeinschaft, die ich als gläubiger Christ nicht missen möchte!
Pater Siegfried Modenbach
Siegfried Modenbach ist seit 30 Jahren im Dienst der katholischen Kirche. Für ihn steht fest: Kirche muss immer wieder reformiert werden. Im WDR Interview findet er dazu klare Worte.
WDR: Sie haben in einem öffentlichen Facebook-Post klar Stellung bezogen, gesagt "Ich schäme mich für die Kirche". Was genau beschämt Sie?
Modenbach: Mich beschämt vor allem, die Art und Weise des Umgangs mit sexuellem und geistlichem Missbrauch in der Vergangenheit: das Schweigen, das Vertuschen, das Nicht-wahr-haben-Wollen. Und dass die Opfer einfach vergessen und die Täter geschützt wurden.
Mich beschämt, dass der Missbrauch von Priester-Kollegen verübt wurde und dass es immer noch Verantwortliche in der Kirche gibt, die bis heute nicht begriffen haben, dass da unsägliches Leid verursacht und Vertrauen missbraucht wurde. Da kann man nicht einfach weitermachen wie bisher.
WDR: Zölibat, Homosexualität - es gibt viele Themen, die Kirche nicht ansprechen möchte. Warum tut sich Kirche damit so schwer?
Modenbach: Also da muss ich widersprechen. Mittlerweile kann man - Gott sei Dank - über solche Themen sprechen, auch in der Kirche, auch mit Verantwortlichen.
Zölibat und Homosexualität sind keine Tabuthemen mehr in der Kirche
Diese Themen sind innerhalb von Kirche schon längst keine Tabuthemen mehr und man sieht es ja auch beim Synodalen Weg: die Themen sind auf der Tagesordnung und es gibt Mehrheiten - auch unter den Bischöfen - die den offenen Dialog suchen und Änderungen herbeiführen möchten.
WDR: Was muss sich ändern?
Modenbach: Vieles. Wenn ich mal beim Synodalen Weg bleiben darf: Wir brauchen erstens eine Verteilung von Macht in der Kirche. Am Sendungsauftrag der Kirche, an Entscheidungen und Zukunftsfragen müssen viele beteiligt werden. Es darf also nicht einfach nur von oben nach unten "durchregiert" werden.
Zweitens müssen wir neu darüber nachdenken, wie die Liebe in Sexualität und Partnerschaft gelebt werden kann. Es gibt viele Formen gelingender Partnerschaft und Beziehungen - und nicht nur Frau und Mann oder Mutter, Vater und Kinder.
Drittens müssen wir neue Formen priesterlicher Lebensformen ermöglichen. Priester sollten selbst entscheiden dürfen, ob sie heiraten möchten oder in Partnerschaft leben möchten oder nicht.
WDR: Wie sehen Sie die Rolle der Frau innerhalb der Kirche?
Wir müssen endlich die reichen (Lebens-)Erfahrungen von Frauen auch in Diensten und Ämtern der Kirche wiederfinden dürfen. Frauen sollten zunächst Diakoninnen werden und Ämter in der Kirche übernehmen dürfen, die ihnen bisher verwehrt geblieben sind.
Für Pater Modenbach steht fest: Kirche muss immer wieder reformiert werden
Vielleicht ist dann auch irgendwann die Priesterweihe der Frau in der Kirche möglich – ich hätte nichts dagegen und es gibt auch keine theologischen Argumente, die dagegensprechen.
WDR: Was bedeutet Kirche für Sie persönlich?
Modenbach: Kirche ist für mich eine Gemeinschaft von Menschen, die an Jesus Christus glaubt; eine Gemeinschaft, die den Menschen ernst nimmt; die sich bemüht, Gutes zu tun und für die Wahrheit einzutreten.
Eine Gemeinschaft, die sich nicht entmutigen lässt und die nicht einfach nur gängige Meinungen nachbetet, dass dieses Leben irgendwann in der Sinnlosigkeit des Todes enden könnte. Eine Gemeinschaft, die den Himmel nicht ansieht als Trostpreis für ein verpfuschtes Leben.
Die Kirche besteht aus Menschen: Menschen, die nicht nur die Liebe predigen, sondern die eine Gemeinschaft bilden, in der jeder sich geborgen und aufgehoben fühlen kann.
Kirche - das ist für mich eine Gemeinschaft, die wie jede menschliche Gemeinschaft durch Institutionen zusammengehalten wird. Nur dadurch ist ein geregeltes Miteinander möglich. Nur so kann die Kirche der Welt ihren Dienst anbieten.
Aber eines möchte ich auch deutlich sagen: Zur Kirche gehört man nicht wie zu einem Sportverein oder zum Schützenverein. Du selbst bist Kirche, oder du bist es nicht! Und die Kirche ist so gut oder so schlecht als du selbst gut oder schlecht bist!
Kirche ist ein Ereignis. Kirche vollzieht sich und geschieht unter Menschen; geschieht und vollzieht sich auch darin, wie du und ich miteinander umgehen.
WDR: Glauben Sie, Kirche hat noch Zukunft?
Modenbach: Solange es Menschen gibt, die noch über den Sinn ihres Lebens nachdenken und die Frage nach Gott stellen, solange hat die Kirche auch (noch) Zukunft! Und zwar deshalb, weil sie mit dem Evangelium und dem Beispiel des Lebens Jesu Antworten bereithält. Das ist ihr eigentlicher Auftrag!
Das Interview führte Elisabeth Konstantinidis.