Der Festnetztelefon- und Smartphone-Hersteller Gigaset mit Sitz in Bocholt ist pleite. Das Unternehmen teilte am Dienstagabend mit, es habe am Amtsgericht Münster einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit eingereicht.
Konzernchef: Zu sehr auf Telefone gesetzt
Das Unternehmen will sich selbst sanieren und hat deshalb ein Insolvenzverfahren in Eigenregie beantragt. Grund für die Pleite sei "ein unerwarteter und erheblicher Umsatzrückgang im zweiten Halbjahr". Die Nachfrage habe sich weiter abgeschwächt, Gigaset sei daher das Geld ausgegangen.
Der zu Jahresbeginn von Bosch gekommene Vorstandschef Magnus Ekerot machte das ehemalige Management für die Schieflage verantwortlich: "Gigaset ist es während der letzten Jahre nicht gelungen, den Rückgang im Kerngeschäft mit Schnurlostelefonen zu kompensieren."
Diese "ungesunde und einseitige Geschäftsausrichtung" habe zu der misslichen Lage beigetragen.
Neben Telefonen stellt Gigaset auch Rauchmelder und Alarmanlagen her. Noch vor wenigen Jahren war das Unternehmen ein Teil des Siemens-Konzerns. Der Standort in Bocholt existiert schon mehr als 80 Jahre. Nach Unternehmensangaben steht Gigaset für Telekommunikation "Made in Germany".
Bocholter Bürgermeister geschockt
Der Bürgermeister der Stadt Bocholt, Thomas Kerkhoff, erfuhr per WhatsApp von der Firmenpleite und zeigte sich geschockt. Schließlich ist Gigaset einer der größten Arbeitgeber.
Die Schreckensnachricht habe sich schnell in Bocholt verbreitet. "Von den 850 Mitarbeitern bei Gigaset kommen 600 aus der Stadt. Das ist eine schwere Nachricht für die Stadt", betont Kerkhoff.
Für den Wirtschaftsstandort Bocholt sei es "ein Wert an sich, ein Technologieunternehmen in diesem schwierigen Markt am Ort zu haben." Und: "Deutschland sollte Industriestandort bleiben. Und das hier ist ein wichtiges Industrieunternehmen."
"Haben schon harte Zeiten hinter uns"
Monika Orschulik ist Betriebsratschefin bei Gigaset
Für die Belegschaft bringt die Pleite einen weiteren dicken Brocken. Monika Orschulik ist Betriebsratsvorsitzende bei Gigaset. "Bei der Restrukturierung vor zwei Jahren haben wir schon 300 Mitarbeiter verloren. Wir haben schon harte Zeiten hinter uns." Die meisten Mitarbeiter sind schon über 20 Jahre bei dem Telefonbauer.
Applaus für den Chef
Aufgeben will trotzdem keiner. "Ich bin überzeugt, dass Gigaset die Kurve kriegt. Und die Belegschaft hat Kampfwillen", sagt Monika Orschulik. Das hängt auch mit dem neuen Geschäftsführer zusammen. Der heißt Magnus Ekerot, kam im Januar von Bosch.
Der Schwede bekam bei der Betriebsversammlung Applaus, als er seinen Zukunftsplan vorstellte: das Geschäft mit den Schnurlostelefonen reduzieren, neue Produkte entwickeln, das Serviceangebot für Geschäftskunden ausweiten. Gigaset habe eine Zukunft in Bocholt.
Betrieb geht erst einmal weiter
Die finanziellen Probleme hatten sich schon vor zwei Wochen angekündigt: Das Unternehmen korrigierte seine Jahresprognosen deutlich nach unten. Für die etwa 850 Beschäftigten soll der Betrieb normal weitergehen, sollte das selbst erarbeitete Sanierungskonzept vom Insolvenzgericht akzeptiert werden.