So hilft das THW nach dem Erdbeben in der Türkei

Stand: 12.02.2023, 18:59 Uhr

Nach dem Erdbeben sinken Stunde für Stunde die Chanchen, Menschen unter den Trümmern noch lebend retten zu können. Was das THW-Team vor Ort weiter motiviert.

Seit Tagen suchen Rettungsteams im türkisch-syrischen Erdbebengebiet nach Überlebenden. Darunter auch ein deutsches Team des Technischen Hilfswerks (THW). Katharina Garrecht ist THW-Sprecherin und befindet sich in der türkischen Stadt Kirikhan, Provinz Hatay. Sie dokumentiert die Arbeit des Teams.

WDR: Frau Garrecht, das Erdbeben fand am Montag statt, das THW-Team befindet sich seit Mittwoch vor Ort. Wie hoch ist aktuell die Wahrscheinlichkeit, dass man immer noch Menschen retten kann?

Katharina Garrecht: Grundsätzlich spricht man von den hundert goldenen Stunden, das heißt hundert Stunden nach dem Ereignis ist die Wahrscheinlichkeit noch recht hoch, dass man Personen lebend unter den Trümmern findet und auch retten kann. Nach diesen hundert Stunden sinkt die Wahrscheinlichkeit, weil die Personen keinen Zugang zum Wasser haben oder vielleicht schwere Verletzungen. Es kann natürlich sein, dass Personen so tief in den Trümmern verschüttet sind, dass die Trümmer quasi isolieren, und dass sie vielleicht sogar den Zugang zu Wasser haben, dass dann die Chance steigt und sie dann länger überleben können.

WDR: Konnte das THW-Team in der letzten Zeit jemanden retten?

Katharina Garrecht: Wir hatten gestern Abend die Rettung einer lebenden Person. In der Stadt haben Anwohner angefangen, von einem Haus die Trümmer abzutragen. Und währenddessen haben sie gemerkt, dass sich eine Frau bemerkbar gemacht hat, die noch unter den Trümmern gelebt hat. Sie sind relativ nah zu ihr vorgedrungen und haben dann aber um Hilfe gebeten. Wir sind mit einem kleinen Team hingefahren. Wir hatten unsere Ausrüstung und unsere Mediziner dabei, um sie direkt versorgen zu können, weil sie seit langer Zeit unter den Trümmern lag. Wir haben dann die Frau aus den Trümmern gerettet und dem Rettungsdienst übergeben. Das war natürlich sehr schön für alle Beteiligten.

WDR: Wir funktioniert so eine Rettung?

Katharina Garrecht: Wir haben eine Ortungskomponente mit Suchhunden und einem technischen Ortungsgerät. Die Suchhunde können lebende Personen wittern. Und wenn die anschlagen, können wir mit dem technischen Ordnungsgerät noch mal ein bisschen enger eingrenzen, wo die Person liegt. Und dann mit einem schweren technischen Gerät zu der Person unter die Trümmer vordringen.

WDR: Wie kann das THW vor Ort noch helfen, außer Menschen zu retten?

Katharina Garrecht: Wir haben verschiedene Experten im Team, die sich besonders mit Statik auskennen oder unsere Mediziner. Nach der Rettungsphase können sie für die Behörden und die Anwohner beratend zur Seite stehen. Es gibt Experten, die dazu ausgebildet sind, Camps zu errichten. Ein Haus zu bauen dauert deutlich länger als ein Camp und die Menschen brauchen ja eine Unterkunft. Oder auch bei der Trinkwasseraufbereitung können unsere Experten helfen. Es ist hier aktuell schwierig an Trinkwasser heranzukommen.

WDR: Die letzten Tage war die Rede von Unruhen vor Ort. Haben Sie davon was mitbekommen?

Katharina Garrecht: Am Samstag haben uns die Medienberichte erreicht, dass es Tumulte in der Stadt gab. Wir waren im Camp und haben deswegen beschlossen, da zu verbleiben, solange kein Auftrag an uns herangetragen wird. Das heißt, dass wir auch keine Versorgungsfahrten machen, die wir ja auch nicht zwingend nötig haben, weil wir uns noch autark versorgen können. Aber wir im Team waren von Tumulten nicht betroffen.

WDR: Wie nehmen die Anwohner ihr Team auf?

Katharina Garrecht: Wenn wir in der Stadt waren, war die Bevölkerung sehr dankbar, alle waren sehr froh, dass wir da waren. Sie haben uns teilweise Essen und Trinken gebracht, obwohl sie selbst kaum etwas haben. Und sie haben uns gegenüber eine große Dankbarkeit. So haben wir es persönlich wahrgenommen.

WDR: Wie lange plant ihr Team, vor Ort zu bleiben?

Katharina Garrecht: Das ist noch offen. Grundsätzlich ist das Team autark. zehn bis 14 Tage können wir uns komplett selbst mit Trinkwasser, Essen und Vorräten versorgen. Wir haben Zelte dabei, in denen wir schlafen, unsere Büroarbeit machen und duschen können. Wir können bis zu 14 Tagen bleiben, ohne dass wir darauf angewiesen wären uns von extern versorgen zu müssen. Wir haben aber auch ein Team, das Trinkwasser herstellen kann. Dieses Team ist darauf ausgelegt, deutlich länger im Land zu bleiben.

Das Interview führte Ekaterina Astafeva.

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