Genau zu wissen, wo sich die meisten Menschen mit dem Coronavirus infizieren, wäre für eine zielgerichtete Bekämpfung der Pandemie sehr hilfreich.
Der WDR hat darum bei allen 53 Gesundheitsämtern im Land angefragt, bei wie vielen Neuinfektionen sie das Infektionsumfeld dokumentieren können - also auch die Ansteckungsorte. Das Ergebnis: Bei den Ämtern liegen weit mehr Daten als veröffentlicht werden. Was bei der Kontaktnachverfolgung in mühsamer Kleinarbeit erhoben wird, landet teilweise gar nicht beim Robert-Koch-Institut - auch aus technischen Gründen.
Münster und Hochsauerlandkreis als Vorbilder
Von den 36 Gesundheitsämtern, die geantwortet haben, gab mehr als jedes Dritte an, immerhin in der Hälfte der Fälle dokumentieren zu können, wo eine Ansteckung passiert ist. In acht Ämtern gelingt das in der Mehrzahl der Fälle - und in Münster, im Hochsauerlandkreis und im Rheinisch-Bergischen Kreis sogar fast immer.
In Münster beispielsweise konnten in den ersten Februarwochen 92 Prozent der Infektionen einem Umfeld zugeordnet werden. Warum das hier so gut klappt? Dr. Norbert Schulze-Kalthoff, Leiter des Amtes, sagt, Münster habe es dank der relativ niedrigen Fallzahlen leichter, weil seine Mitarbeiter ausführlich mit Betroffenen sprechen können. Wichtig sei aber auch eine gründliche, ausführliche Schulung der Kollegen. Auch eine sinnvolle Software und gute Zusammenarbeit mit anderen Gewerken sei hilfreich.
Gütersloh schaut gezielt nach Häufungen bei Firmen
Auch das Gesundheitsamt Gütersloh steckt viel Energie und Zeit in diese detektivische Arbeit – besonders wenn die Vermutung besteht, dass die Infektion in einer Firma, einer Kita oder anderen größeren Einrichtungen passiert sein könnte. Seit der Kreis wegen der Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen in den Schlagzeilen war, beobachtet das Amt in einem eigenen Programm die Entwicklung der Infektionszahlen und fragt dafür standardmäßig die Namen der Arbeitgeber ab, so dass sich Häufungen früh erkennen lassen.
Gesundheitsminister reagiert auf Recherche
NRWs Gesundheitsminister Karl Josef Laumann sagt im Gespräch mit dem WDR: "Es liegt ganz oft daran, dass die Menschen, die infiziert sind, nicht sagen können, wo sie es sich geholt haben." Da käme man mit der besten Software nicht weiter. "Wenn ich sehe, wie unsere Gesundheitsämter jetzt aufgestellt sind im Vergleich zu vor einem Jahr, da muss ich sagen, dass ich keine Behörde kenne, die sich im vergangenen Jahr so weiterentwickelt hat," lobt er NRWs Gesundheitsämter.
Anderen Ämtern fehlt Zeit für genauere Analyse
Dass viele Ämter in NRW keine Angaben gemacht haben, muss nicht automatisch heißen, dass dort das Umfeld nicht festgehalten wird. Viele begründeten die fehlende Auskunft damit, dass dafür aufwendige Analysen notwendig seien – und die seien bei der derzeitigen Arbeitsbelastung nicht zu leisten.
So antwortete das Amt in Aachen: "Jeder Index wird zu seinem Umfeld und der möglichen Ansteckung befragt. An das RKI oder Landeszentrum Gesundheit gehen diese Daten nicht." Manche Systeme sind offenbar auch nicht darauf ausgelegt, solche Daten auf Knopfdruck auszugeben. Solingen zum Beispiel verstärkt seit einiger Zeit die Zusammenarbeit von IT und Gesundheitsamt - und konnte jetzt die angefragten Zahlen liefern.
Ansteckung vorwiegend im privaten Umfeld
Nur wenige Ämter konnten Daten mitschicken, die sich dann miteinander vergleichen lassen. Bei den vorliegenden Beispielen ist das Infektionsumfeld bei mehr als zwei von fünf Neufällen nicht feststellbar (42 Prozent).
Bei den übrigen Fällen dominiert das private Umfeld, also die Ansteckung zu Hause, bei Treffen mit Freunden und Verwandten (über alle Datensätze hinweg in 35 Prozent der Fälle). Bildungseinrichtungen und berufliche Umgebungen spielen hingegen kaum eine Rolle, von vereinzelten Ausbrüchen abgesehen. Münsters Amtsleiter Schulze-Kalthoff schildert das auch für den öffentlichen Nahverkehr und die Geschäfte, da die Kontakte dort nur kurzfristig seien. Auch die Qualität der Masken, die die Menschen tragen, habe sich noch einmal verbessert.
Die Daten stammen aus den ersten beiden Februarwochen, also aus einer Zeit mit relativ strengen Lockdown-Regeln.
Keine vergleichbaren Daten für NRW
Verallgemeinern kann man die Daten aus diesen wenigen Beispielen nicht. Die WDR-Anfrage bei den Gesundheitsämtern zeigt also: Es gibt Kreise und Städte wie Münster, in denen die Feststellung des Infektionsortes inzwischen gut gelingt, in vielen anderen ist das oft nicht möglich. Was die Kontaktverfolger dort in mühevoller Arbeit nachhalten, bleibt oft auch in ihrem Amt und wird nicht weiter analysiert.