Der Gesundheitsausschuss des Bundestags hatte sich am Dienstag in einer Telefonkonferenz gemeinsam mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Frage beraten, ob Karneval in Zeiten der Pandemie zu verantworten sei.
Was davon bisher durchsickerte, ist niederschmetternd - zumindest für die einschlägigen Karnevalshochburgen: Spahn äußerte sich in einer Telefonkonferenz des Gesundheitsausschusses skeptisch, ob Karneval im November stattfinden kann. Das sagte der Aachener CDU-Bundestagsabgeordnete Rudolf Henke, der auch im Gesundheitsausschuss sitzt, am Mittwochmorgen bei WDR 2.
Er selber komme aus einer Karnevalshochburg, soll der Münsterländer Spahn laut Teilnehmern der Telefonkonferenz gesagt haben. Er wisse als ehemaliger Kinderprinz, wie wichtig Karneval für viele Millionen Deutsche sei. Spahn war 1992 Kinderprinz Jens I. im münsterländischen Ottenstein.
Spahn soll laut Henke gesagt haben, er könne sich nicht vorstellen, dass im November die Karnevalisten einfach so feiern und Menschen in großem Gedränge unverändert zusammenbringen.
Ruf nach einheitlichen Regeln
Es habe, so Henke, im Gesundheitsausschuss ein Gespräch darüber gegeben, ob es richtig sei, nochmal eine Initiative zu ergreifen, die unterschiedlichen Vorschriften in den Bundesländern "näher" zusammenzubringen.
Dafür sprach sich auch Susanne Johna, die Vorsitze des Ärzteverbandes Marburger Bund, am Mittwoch im WDR aus. Es seien einheitliche Regeln für alle Bundesländer wichtig, da sich die anfangs unterschiedlichen Infektionswerte mittlerweile zusehends angleichen würden. Sie könne die Bedenken von Spahn "sehr gut verstehen" - auch wenn das für alle Karnevalisten bitter sei. Aber Karneval in großen Hallen zu feiern, könne sie sich nicht vorstellen.
Festkomitee: Entscheidung zu früh
Beim den Karnevalsverbänden in NRW löste die Äußerung Spahns Unruhe bis Entsetzen aus, vor allem aber Unverständnis. "Man muss nicht heute das verbieten, was in einem halben Jahr stattfinden soll", sagte Michael Kramp, Sprecher des Festkomitee Kölner Karneval, dem Dachverband der meisten Kölner Karnevalsvereine, am Dienstag.
Es gehe nicht darum, um jeden Preis zu feiern. Sollte die Zahl der Infektionen weiter zunehmen und die Coronaschutzverordnung wieder verschärft werden, seien Karnevalsfeiern "natürlich nicht möglich". Das könne man aber derzeit noch nicht absehen, so Kramp.
Vorbehalte gegen Straßen- und Kneipenkarneval
Säle und Künstler seien ohnehin schon Jahre im Voraus gebucht, die Veranstaltungen für 2021 quasi fertig geplant. Eine Absage könne daher auch kurzfristig erfolgen. Kramp wies auch darauf hin, dass der Kölner Karneval nicht, wie etwa das Oktoberfest, als eine einzige Großveranstaltung organisiert sei, sondern aus zahllosen Sitzungen, Partys, Umzügen und anderen Veranstaltungen bestehe, die von unterschiedlichsten Vereinen, Gruppen und Privatleuten initiiert würden.
"Der Straßenkarneval, der Kneipenkarneval, das sind so Elemente, die wir uns nicht vorstellen können“, sagte Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitee Kölner Karneval, am Mittwoch dem WDR. Auch Ballveranstaltungen gehörten dazu. "Wohingegen Sitzungen und gesetzte Veranstaltungen, die mit Hygienekonzepten auch sehr durchdacht sind, die vielleicht auch eher funktionieren wie ein Konzert, können wir uns sehr gut vorstellen."
Der Düsseldorfer Künstler Jacques Tilly arbeitet gerade als Karnevalswagenbauer fast nonstop für die neue Session. Zurzeit werden die Gesellschaftswagen und die Wagen für Sponsoren gebaut - noch keine Mottowagen. Er findet eine pauschale Absage des Karnevals zum jetzigen Zeitpunkt übertrieben. Das sei Herrn Spahn sicher "nur so rausgerutscht".
"Was meint Spahn mit 'Karneval'?"
Eine "so pauschale Ankündigung" eines Bundesministers findet Hans-Jürgen Tüllmann, Geschäftsführer beim Comitee Düsseldorfer Carneval, "unverantwortlich". Er wolle wissen, was genau Spahn mit "Karneval" meine: "Indoor, outdoor, den Rosenmontagszug?" Tüllmann ist überzeugt, dass Karneval unter Einhaltung aller Vorschriften möglich wäre. "Ob das dann allerdings schön ist, steht auf einem anderem Blatt."
"Kein Herumeiern mehr"
"Natürlich ist es für die Wirtschaft, für die vielen Gaststätten und Restaurants schlimm, ganz schlimm", sagt auch Gert Kartheuser, Vorsitzender des Karnevalsverbands Mönchengladbach. "Auf der anderen Seite: Gesundheit geht vor, das müssen wir einfach respektieren."
Von zehn befragten Karnevalisten seien "locker acht Menschen" bereit, auf eine Karnevalssitzung aus Vorsicht zu verzichten, schätzt er. Dennoch überrasche ihn der frühe Zeitpunkt, an dem Spahn das Thema anspreche. Die Verbände bräuchten jetzt in jedem Fall eine klare Ansage, kein "Herumeiern".
Absage "wirtschaftlicher Desaster"
Der Präsident des Bunds Deutscher Karneval (BDK), Karl-Ludwig Fess, fordert den Bundesgesundheitsminister laut "Reinischer Post" zu einem Runden Tisch auf: "Bevor Veranstaltungen abgesagt werden, muss es darüber Gespräche geben."
Einzig der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises hatte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) bereits vor Tagen gebeten, die Veranstaltungen für die kommende Karnevalssession abzusagen.
Karnevalssitzung war Corona-Epizentrum in NRW
Die Corona-Ausbreitung hatte in NRW ihren Anfang in einer Karnevalsveranstaltung genommen: Als Epizentrum und Anfang einer langen Infektionskette gilt die sogenannte "Kappensitzung" von Gangelt am 15. Februar, wo Hunderte ausgelassen miteinander gefeiert hatten.