Keine Freunde in Sicht, dafür Stunden vor dem Computer. Ein ständiger Wechsel von Distanz- zu Präsenzunterricht und wieder zurück. Ein Lernpensum mit Lücken - und jetzt auch noch Prüfungen mit Masken und der Angst, dass der Corona-Test doch positiv ist.
Und mit der letzten Prüfung ist es mit den Sorgen nicht vorbei. Was, wenn Personalchefinnen oder Ausbilder das Corona-Abi für minderwertig halten? "Selbst wenn ich ein gutes Abitur schreibe, wird es heißen, oh, die hat ja im Corona-Jahr geschrieben", sagt Xueling Zhou, die erst im nächsten Jahr dran ist, aber sich jetzt schon Gedanken macht. Die Angst vor dem Abi zweiter Klasse geht um. Zu Recht?
Alle sind auf dem gleichen Stand
Frederick Dauber, Pädagoge und freier Dozent für "soft skills", stellt erstmal eine andere Frage: "Ist es wirklich zweitklassig?" Nein, antwortet er, die besonderen Umstände würden berücksichtigt: "Das, was da ist, wird geprüft, mehr nicht." Außerdem wären die Bedingungen bundesweit gleich, Unterschiede gebe es da nicht und damit auch keine Konkurrenz.
Kein Austauschprogramm, kein Auslandsjahr
Rein formal scheint also alles in Ordnung. Aber haben die jungen Leute nicht einen Nachteil, weil sie vieles nicht machen konnten, was für andere Jahrgänge normal war? Austauschprogramme zum Beispiel, bei denen sie Sprachen lernen können, oder ein ganzes Auslandsjahr, in dem sie lernen, alleine klar zu kommen. Erfahrungen also, die bei der Jobsuche helfen können. Natürlich, sagt Dauber. "Aber das spielt doch direkt nach dem Abi keine Rolle. Sie können das alles auch später nachholen, im Studium zum Beispiel."
Kein Grund für Minderwertigkeitsgefühle
Und da sind eben die "soft skills", die sozialen und methodischen Fähigkeiten. Da haben die Abijahrgänge ganz besondere Kompetenzen entwickelt, sagt Dauber: Selbst- und Zeitmanagement beim Lernen per Computer zum Beispiel, die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und soziale Kontakte zu pflegen, "nur eben per Whats App". Kurz: Es gibt keinen Grund für ein schlechtes Selbstwertgefühl, im Gegenteil: "Die Leute können mit viel Selbstbewusstsein in die Prüfungen gehen."
Frustrationstoleranz und Multitasking
Die Botschaft von Christopher Meier ist noch eindeutiger: "Wenn ich an meine Abi-Zeit denke - Respekt!" Die Schulabgänger hätten viel gelernt, "Frustrationstoleranz, Stressresistenz, Flexibilität", dazu ein routinierer Umgang mit IT und Multi-Tasking, zählt der Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK Köln auf. Das werde ihnen später auch weiterhelfen. "Und Sprachen kann man nachholen."
Gute Chancen auf dem Ausbildungsmarkt
Und es gibt noch einen Grund für Optimismus, sagt Meier: der massive Fachkräftemangel. "Ich kenne kein Unternehmen, das sagen wird, das sind Schmalspur-Abiturienten. Sie brauchen die jungen Leute." Damit meint er übrigens auch ausdrücklich die 10er-Abgangsklassen, die unter den Corona-Bedingungen genau so leiden wie die Gymnasiasten. Wer den Abschluss in der Tasche hat, braucht sich also keine Sorgen zu machen, glaubt Meier - trotz Corona-Abi. "In fünf oder zehn Jahren fragt da sowieso niemand mehr nach."