Pro und Contra : Einschränkungen auch für Geimpfte - wäre das gerecht?

Stand: 16.11.2021, 12:28 Uhr

In Deutschland erkranken wieder viele Menschen an Corona. Sind daher sogar für Geimpfte und Genese wieder mehr Einschränkungen nötig - 2-G plus Test oder gar ein kompletter Lockdown? Ein Pro und Contra.

Von Jörn Seidel, Suska Döpp

Ja! Auch Geimpfte sollten sich einschränken.

Meine kleinen Kinder sind noch nicht geimpft. Ich will nicht, dass sie Corona kriegen. Aber die Statistik beruhigt mich. Ihnen würde wohl nichts passieren. Anders ist das bei meinen Eltern. Ihre Booster-Impfung steht bald an. Aber bis dahin werden noch Wochen vergehen. Es sind Wochen, die mich verunsichern - nicht mehr so groß wie im Frühjahr. Aber die Schutzwirkung der Impfung lässt mit der Zeit eben nach. Daher sollten sich Geimpfte noch einschränken - und zur Not auch eingeschränkt werden.

Jörn Seidel | Bildquelle: WDR

Wir stehen in Deutschland erst am Anfang der Booster-Impfungen. Aber die vierte Welle haut jetzt voll rein. Auch in den kommenden Wochen werden wohl hunderte Menschen nach Impfdurchbrüchen sterben, vor allem Alte. Wegen voller Kliniken müssen nicht-infizierte Intensivpatienten verlegt werden - eine Zumutung. Und das medizinische Personal ist am Limit. Ich will das alles nicht.

Als Geimpfter will ich aber auch keine Ausgangsbeschränkungen mehr ertragen. Verordnete Einschränkungen sollten vor allem für Ungeimpfte gelten. Geimpfte und Genesene sollten sich aber noch zurückhalten - Kontakte mit Vorsicht genießen, sowohl auf der großen Hochzeitsfeier als auch mit Freunden zu Hause. Bei Partys, so sie denn sein müssen, auf zig Umarmungen verzichten, Maske auf dem Weihnachtsmarkt tragen und sich vor manchen Treffen testen - was ist daran so schwer?

Und bei zu vielen schweren Impfdurchbrüchen braucht es sogar für Geimpfte wieder etwas strengere verordnete Einschränkungen - zum Beispiel weniger gefüllte Stadien und wieder Mindestabstände zwischen Tischen in Restaurants.

Denn es ist keine "Pandemie der Ungeimpften". Auch Geimpfte verbreiten das Virus - und fallen ihm zum Opfer. Häufiger, als es sein müsste. Es ist noch nicht vorbei.

Nein! Wer nicht geimpft ist, soll bitte zuhause bleiben.

Der Blick auf die Zahlen macht klar: In Deutschland ist Covid inzwischen eine Epidemie der Ungeimpften. Auf unseren Intensivstationen liegen deutlich mehr nicht geimpfte Patienten als Menschen mit Impfdurchbrüchen. Wer geimpft (und geboostert) ist, muss sich keine großen Sorgen machen - und kann sich zusätzlich schützen durch Masken, Abstand und Kontaktverzicht.

Suska Döpp | Bildquelle: privat

Weil ich genau darauf gehofft hatte, habe ich mich impfen lassen. Und zwar bei der ersten Gelegenheit - weil es nichts anderes gab mit Astrazeneca, obwohl der Impfstoff für mich nicht empfohlen war. Damit schütze ich nicht nur mich, sondern auch andere. Und jetzt kann und möchte ich ein weitgehend normales Leben genießen. Ich habe keine Angst mehr um meinen Sohn oder meine Eltern, die zum Glück auch vernünftig sind. Ich gehe Karneval feiern und treffe mich mit Freunden in der Kneipe. Ich verreise, ohne Unsummen für PCR-Tests auszugeben.

Mein Mitgefühl und meine Solidarität gelten den Menschen, die unter Corona leiden und nichts dagegen tun können: Weil sie in Pflegeheimen von Impfgegnern betreut werden, weil sie wegen Corona ihren Job verloren haben, als Musiker nicht auftreten können, oder ihre Kneipe schließen müssen.

Auf keinen Fall möchte ich zurück in die kollektive Niedergeschlagenheit des Lockdowns. In die Angst um meine Familie und meine Freunde. Ich feiere noch heute, dass ich vor sechs Monaten geimpft wurde. Mitfeiern muss natürlich niemand - aber bitte hört auf zu jammern und geht von der Tanzfläche. Das Zeug ist da - holt es euch! So viele Menschen auf der Welt würden sich sofort impfen lassen, wenn sie die Gelegenheit hätten.

Kommentare zum Thema

  • Gregor M. 18.11.2021, 06:25 Uhr

    Auch wir als Geimpfte drohen in eine Spirale bzw. in eine Spirale der Nichtgeimpften zu gelangen. Die Impf-Zertifikate haben ein Verfallsdatum, damit ist die Impfpflicht schon implementiert. Ab dem Zeitpunkt des Verfalls gilt man dann als ungeimpft, wenn eine Boosterimpfung nicht vorher schom wahrgenommen wird. Ein solches Vorgehen gibt es bei der Grippeschutzimpfung nicht. Auch bei Masern/Röteln mit Todesverläufen gibt es trotz Erstimpfung eine nachträgliche Festellung, man wäre bei keiner Auffrischungsimpfung nun jetzt ungeimpft, schlussendlich nicht. Wir drohen aktuell in eine Spirale zu kommen und nicht mehr zu differenzieren, vorallem bei gesunden Kindern, die über ein sehr gutes Imunsystem verfügen und dennoch gesellschaftlich geimpft werden müssen. Wir als Gesellschaft müssen mehr differenzieren. Wo ist der tatsächliche Nutzen einer Impfung? Wollen wir tatsächlich eine Spaltung der Gesellschaft ? Wie können wir uns einigen? Eine Spaltung bei Kindern darf es nicht geben.

  • Gregor M. 18.11.2021, 05:46 Uhr

    In erster Linie schützen wir uns mit der Impfung selbst. Die Weitergabe der Viruslast kann auch durch Geimpfte erfolgen, daran wird sich zukünftig auch nichts ändern unabhängig davon wieviele Boosterimpfungen noch folgen werden. Das die Viruslast durch Geimpfte weitergegeben kann ist schon hinlänglichst bekannt, dennoch versprach die Regierung den Geimpften es sollen keine Freiheitseinschränkungen mehr erfolgen und daran muss sie sich halten, zumal sich zukünftig nichts an der Lage bei den Geimpften ändern wird. Alles andere wäre reine Willkür und durch keine gesetzliche Grundlage gestützt. Jetzt zu sagen wir sollten auch mit den Ungeimpften solidarisch sein und uns selbst einschränken halte ich für falsch, den die Geimpften haben alles dafür getan. Eine allg. Impfpflicht halte ich für falsch, da der Staat auch bei Kindern die über ein sehr gutes Immunsystem verfügen und den Virus verkraften, eingreifen würde. Das obliegt klar den Eltern, oder haftet der Staat für sein Handeln??

  • NH 17.11.2021, 20:14 Uhr

    Bin 45 J. alt, genesen und 2-fach geimpft, keine Kinder und feiere die wieder kostenfreien Schnelltests, um die Kinder und wirklich aus gesundheitlichen Gründen Ungeimpften zu schützen. Und hoffe, dass man die nicht lange auf einen in der Woche beschränkt, sondern wieder nach Bedarf frei gibt. Der eine Test in der Woche macht Sinn wenn man kaum Kontakte hat und nur 1x in der Woche einkaufen geht. Aber wenn man dann noch zum Arzt oder doch mal in Haushalte muss, in denen es Ungeimpfte gibt, wäre es gut, wenn man sich dann auch vorher testen. Natürlich nicht jeden Tag. 8 Freitests im Mon. fände ich gut. Werde mich auch boostern lassen. Der milde Verlauf war trotzdem kein Spaß und ist auch nicht mit einer einfachen Erkältung zu vergleichen. Deshalb habe ich kein Verständnis für die falschinformierten und ggf. egoistischen Nichtgeimpften. Informiert Euch endlich! Tipp: steht alles in fast 20 Jahre alten Schulbüchern in den Büchereien, wenn Ihr den Wissenschaftlern nicht mehr traut.