Begonnen hatte das neue Schuljahr in NRW mit der Maskenpflicht im Unterricht. Das war vor gut zwei Wochen. Zum 1. September läuft die Frist für diese Regelung aus - und soll nicht verlängert werden. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bestätigte diese Entscheidung am Montag noch einmal.
Die Maske im Unterricht sei angesichts steigender Corona-Fallzahlen zum Ende der Sommerferien "angezeigt" gewesen, jetzt aber "nicht mehr nötig", erklärte Gebauer auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf. NRW liege mit den Infektionszahlen mittlerweile wieder im durchschnittlichen Bereich. Es gehöre zum Konzept, bei sinkenden Infektionszahlen "Grundrechtseingriffe zurückzunehmen".
Viele Schulen wollen an Maskenpflicht festhalten
Vielen Schulen in NRW ist das offenbar zu riskant. So sitzen beispielsweise am Wuppertaler St. Anna Gymnasium Schülerinnen und Schüler auch weiterhin mit Maske im Klassenzimmer. "Da gibt es Lehrkräfte, aber auch Schüler, die zur Risikogruppe gehören, die haben den maximalen Schutz verdient", sagte der stellvertretende Schulleiter Carsten Finn dem WDR. Das Erzbistum als Schulträger habe daher entschieden, die Maskenpflicht zunächst beizubehalten. "Davon sind wir auch sehr überzeugt", so Finn.
Zahlreiche andere Schulen folgen diesem Beispiel und haben "freiwillige Vereinbarungen" getroffen, wonach im Unterricht weiter Masken getragen werden. Die Essener Gustav-Heinemann-Gesamtschule will bis zu den Herbstferien daran festhalten. Die Praxis haben sich "in den letzten Wochen und Monaten bewährt", schreibt die Schulleitung auf ihrer Homepage.
"Hygieneschutz nicht in Sicht"
Die Erich-Kästner-Schule in Bochum teilt mit: Es sei gemäß der bisherigen Vorgaben aus dem Schulministerium "nicht in Sicht, wie unter diesen Voraussetzungen ohne Reduzierung der Klassenstärken ein halbwegs sinnvoller Hygieneschutz gewährleistet werden kann", um die 1.450 Schülerinnen und Schülern und 150 Lehrkräfte zu schützen.
Das Freiherr-von-Stein-Gymnasium in Oberhausen schreibt, die Maskenpflicht habe sich als sehr "tragfähig" erwiesen: Als es eine Coronainfektion an der Schule gab, hatte es ausgereicht, "nur die unmittelbar Betroffenen in Quarantäne zu schicken". Die restliche Lerngruppe habe weiter in den Präsenzunterricht gehen können. Eine Unterbrechung der Maskenpflicht mache "wenig Sinn, weil damit das bisher Erreichte gefährdet wird". Auch an vielen anderen Schulen des Landes sind die Schüler aufgerufen, weiter mit Maske im Unterricht zu erscheinen.
Pflicht oder Strafen nicht zulässig
Solche Maßnahmen seien dann "eine freiwillige Entscheidung", betonte die Schulministerin, eine Pflicht gebe es nicht mehr. "Die Maske schützt", räumte Gebauer ein, und sie zolle allen entsprechenden Entscheidungen der Schulleitungen ihren Respekt. Dennoch dürften diese keine Maskenpflicht im Unterricht verhängen, sie könnten lediglich "ein Maskengebot aussprechen". Schüler, die keine Maske aufsetzen wollen, dürften seien nicht bestraft werden.
Nicht nur Schulleitungen, auch Ärzteverbände hatten zuvor auf einen Vorteil des Maskentragens im Unterricht hingewiesen: Im Fall eines infizierten Schülers müsse man lediglich die unmittelbar Betroffenen in Quarantäne schicken und nicht eine ganze Klasse.
Darauf angesprochen, sagte Gebauer, dass künftig in Infektionsfällen die örtlichen Gesundheitsämter darüber entscheiden müssten, was im Einzelfall zu tun sei. Es hänge dann von Sitzplänen, Gruppengrößen oder Kontaktverfolgung ab, ob nur einige oder die ganze Klasse in Quarantäne müssen. "Das entscheidet nicht die Schulleitung", so Gebauer.
Lehrer: Gewerkschaft: "Massive Verunsicherung"
Das angekündigte Ende der Maskenpflicht im Unterricht habe bei Lehrkräften und Schülern "massive Verunsicherung ausgelöst", erklärte auch die Gewerkschaft "Lehrer NRW". Die Maske im Unterricht sei zwar eine "drastische, aber im Sinne des Gesundheitsschutzes vertretbare Maßnahme" gewesen. Wenn die Landesregierung die Maskenpflicht nun abschaffe, müsse sie auch sagen, wie sie einen gleichwertigen Schutz von Lehrkräften und Schülern sicherstellen wolle, sagte Brigitte Balbach, Vorsitzende von "Lehrer NRW". Dazu habe die Pressekonferenz der Schulministerin Yvonne Gebauer "leider kaum Erhellendes beigetragen".
SPD: Unterricht auch in leeren Konzertsälen möglich
Die Opposition im Landtag reagiert mit Unverständnis auf den Kurswechsel der Schulministerin: Es sei "fahrlässig", die Maskenpflicht "einfach abzuschaffen, ohne etwas Neues entgegenzusetzen", sagte SPD-Landeschef Thomas Kutschaty. Es gebe nicht nur "Maske auf, Maske runter", sondern viele mögliche Zwischenlösungen: Kleinere Lerneinheiten, kürzere Schulstunden, Schichtbetrieb an Schulen oder außerschulische Lernorte wie leerstehende Konzertsäle oder Museen.
Zudem ließen sich an vielen Schulen die Fenster nicht richtig zum Lüften öffnen, kritisierte Kutschaty. Wirksame Luftfilter für alle Klassenräume anzuschaffen hatte die Schulministerin aber zuvor abgelehnt, weil ein solches Vorhaben "Unsummen verschlingen" würde.
Kutschaty sagte, er habe Gebauer vorgeschlagen, zu einem Schulgipfel einzuladen, "um alle Beteiligten mal an einen Tisch zu holen, auch die Opposition". Auch das wies Gebauer zurück: Was Gespräche zum Thema angehe, sei man bereits "gut aufgestellt in NRW".
Solches Eigenlob gehe "angesichts der Protestschreiben von Elternverbänden und Schulleitungen völlig an der Realität vorbei", kritisierte Sigrid Beer von der Landtagsfraktion der Grünen. Bis zum frühen Nachmittag seien die Schulen noch nicht einmal über die Änderung ab morgen informiert worden.