Der Frühling macht Hoffnung, treibt die Menschen ins Freie. Maske und Abstand werden dabei oft vergessen. Das Gefühl sagt: Wozu auch? Schließlich zeigt der Lockdown Wirkung, tausende Menschen werden täglich geimpft, in NRW öffnen seit diesem Montag schrittweise die Schulen und sogar Friseure dürfen nächste Woche Kunden empfangen. Ist die Warnung vor einer dritten Welle vielleicht doch ein wenig übertrieben?
RKI-Wissenschaftler: Dritte Welle steht "vor der Tür"
Prognosen zur Entwicklung einer Pandemie abzugeben, sei "wie Aktienkurse vorherzusagen", sagte mal Dirk Brockmann, Physik-Professor an der HU Berlin und beim Robert Koch-Institut (RKI) zuständig für Epidemiologische Modellierung. Eine dritte Welle hält er zumindest für wahrscheinlich. "Mit den neuen Virus-Varianten steht das vor der Tür", so Brockmann im Deutschlandfunk.
Auch RKI-Chef Lothar Wieler schließt eine dritte Welle nicht aus, ohne sie zu benennen. "Wir stehen möglicherweise erneut an einem Wendepunkt. Der rückläufige Trend der letzten Wochen setzt sich offenbar nicht mehr fort", sagte er am Freitag. Da lag die Sieben-Tage-Inzidenz bundesweit noch bei 57 – am Montag meldete seine Behörde den Inzidenzwert 61.
Und auch die Zahl der belegten Intensivbetten deutet nicht auf eine große Entspannung. Zwar ist der Trend seit Jahresanfang rückläufig. Aber waren zwischen Juli und September bundesweit stets etwa 300 Betten belegt, sind es aktuell zehnmal so viele. In NRW ist der Trend nicht anders.
Karl Lauterbach: "Beginn einer neuen Pandemie"
Einer, der sehr medienwirksam vor einer dritten Welle warnt, ist der SPD-Gesundheitspolitiker und Epidemiologe Karl Lauterbach. "Die dritte Welle beginnt jetzt", schrieb er am Samstag bei Twitter. Schon lange davor hatte er vor einer dritten Welle gewarnt - und erhielt dafür Hasskommentare und Morddrohungen.
Es liegt vor allem an den Mutationen, dass aktuelle Vorhersagen zur Pandemie so schwierig sind. Die Ausbreitung der besonders ansteckenden britischen Mutante verdoppele sich jede Woche, so das RKI. Lauterbach spricht daher nicht nur von einer neuen Welle: "Die dritte Welle ist gleichzeitig auch der Beginn einer neuen Pandemie", sagte er dem SWR.
Wie entwickeln sich die Zahlen nach den Schulöffnungen?
Um eine dritte große Welle und damit erneute Verschärfungen des Lockdowns zu vermeiden, sei es jetzt wichtig, dass die Corona-Regeln weiter eingehalten werden, so Ruth Schulz von der WDR-Wissenschaftsredaktion. Auch müssten die Impfungen so schnell wie möglich weitergehen. "Und man muss jetzt genau hinschauen: Was passiert nach den Schulöffnungen?"
Ob nun die dritte, große Welle oder das Ende der Pandemie beginnt - man wird es wohl erst in wenigen Wochen wissen.