Corona-"Soforthilfe": Das müssen Empfänger jetzt wissen

Stand: 15.07.2020, 21:33 Uhr

  • "Soforthilfe" muss teilweise oder ganz zurückgezahlt werden
  • Verfahren nach heftiger Kritik vorerst gestoppt
  • Personalkosten und Lebensunterhalt nicht abziehbar

Für viele Freiberufler kam die schnelle Soforthilfe wie gerufen. Aufträge brachen weg, die 4,5 Milliarden Euro an NRW-"Soforthilfe" flossen oft schnell und sehr unbürokratisch, um Zahlungsengpässe zu überbrücken und Insolvenzen in der Corona-Krise zu vermeiden. Jetzt aber heißt es: Zeigt uns doch mal bitte, wie bedürftig ihr wirklich wart. Das Land will Nachweise sehen.

Bereits fast jeder vierte von über 400.000 "Soforthilfe"-Empfängern wurde vom Land aufgefordert, die konkrete Verwendung der Gelder nachzuweisen. Einige bekamen die Aufforderung, einen Teil oder die komplette "Soforthilfe" zurückzuzahlen. Dafür sollen Einnahmen und Ausgaben in einem Online-Formular aufgelistet werden.

Ärger über Rückforderungen

Die geforderten Rückzahlungen der Soforthilfe beschäftigen Steuerberater Hans-Joachim Arns in Köln rund um die Uhr. Viele seiner Mandanten haben Gelder des Landes in Anspruch genommen. Sie müssen ihre finanzielle Not jetzt im Nachhinein beweisen. "Vielen Leuten, die sich ein bisschen damit befasst haben, war klar, das das kein Geschenk ist, sondern, dass da nachgekartet wird. Aber gerade zu Beginn war die Hoffnung da, dass auch die private Lebensführung davon gedeckt wird und das ist, wie sich heute herausstellt, nicht der Fall", so der Anwalt.

Streit über gezahlte Gelder während des Lockdowns gibt es nicht nur über die privaten Lebenshaltungskosten, sondern auch um etwaige Personalkosten. Die dürfen nicht mit der Soforthilfe verrechnet werden und sollen plötzlich zurückgezahlt werden.

Caféwirt Dino Engelhardt aus Langenfeld hat 15.000 Euro Soforthilfe bezogen. Die Rückforderung ärgert ihn, weil sich plötzlich die Rahmbedingungen geändert haben, so sein Vorwurf. "Wenn dann so Begründungen kommen wie: ihr müsst jetzt komplett die gesamte Summe zurückzahlen, dann ist es eben keine Hilfe mehr sondern schlicht und einfach nur ein gestundeter Kredit, anders ausgesprochen: eine Insolvenz auf Raten."

Nicht alle Ausgaben werden anerkannt

Zu Beginn der Krise hatten viele Selbstständige noch Zahlungen aus vergangen Aufträgen erhalten, neue Aufträge kamen aber schon nicht mehr rein. Die Zahlungsschwierigkeiten kamen also mit Verzögerung, das berücksichtige die Abrechnung nicht.

Viele Unternehmer haben bislang damit gerechnet, dass sie Personalkosten, Fixkosten wie die Miete und 2.000 Euro zum Leben von der Soforthilfe bezahlen können. Doch als Ausgaben berücksichtigt werden nur laufende Betriebskosten. Der Grund: Für das Personal kann Kurzarbeitergeld und für den eigenen Lebensunterhalt Arbeitslosengeld beantragt werden. Vor allem um die Personalkosten gibt es Streit. Denn auch bei Kurzarbeit laufen die Kosten zumindest teilweise weiter.

Für die persönlichen Lebenshaltungskosten der Unternehmer gilt allerdings eine Ausnahme. Für den ersten Monat der Krise dürfen 2.000 Euro als Pauschale angesetzt werden. Ansonsten gehören zu den Betriebsausgaben beispielsweise die Miete für ein Büro oder Laden und die zugehörigen Nebenkosten. Auch Versicherungsbeiträge, Material und Waren in üblicher Menge und die Kosten für ein Auto oder Lieferwagen gehören dazu.

Vorerst keine Prüfungen mehr

Nach heftigen Protesten hat Nordrhein-Westfalen die Prüfungen erst einmal gestoppt. Wer bereits eine Aufforderung zur Abrechnung erhalten hat, muss vorerst nicht reagieren. Nach Angaben des NRW-Wirtschaftsministeriums vom Mittwoch (15.07.2020) wurde das entsprechende Online-Formular wieder aus dem Netz genommen. Die gesetzten Fristen seien ebenfalls hinfällig.

Neues Verfahren in Arbeit

Komplett aufgehoben ist die Prüfung aber nicht. Die Landesregierung will zusammen mit dem Bund, der die Gelder zur Verfügung gestellt hat, Lösungen für die Probleme finden. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart (FDP) sagte gegenüber dem WDR: "Wir haben es gestoppt, weil wir gesehen haben, dass Fragen aufgekommen sind bei den Unternehmen." Man sei mit dem Bund im Gespräch, im Interesse der Unternehmen noch "Verbesserungen erreichen zu können". Das heißt: danach könnten "Soforthilfe"- Empfänger eine neue Aufforderung bekommen, ihre Einnahmen und Ausgaben offen zu legen und eventuell erhaltene Gelder zurückzuzahlen.

Belege zehn Jahre aufbewahren

Alle Angaben werden digital erfasst. Belege müssen nicht eingereicht werden. Es gibt aber stichprobenartige Prüfungen. Dafür müssen die Belege mindestens zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Eine detaillierte Erklärung ist auf der Webseite des NRW-Wirtschaftsministeriums zu finden.

Bis Ende September will das Land mit dem Bund nach Lösungen suchen. Es geht um viel Geld , insgesamt wurden rund 4,5 Milliarden Euro Soforthilfen ausgezahlt.