Während Theater, Kinos und Restaurants im "Lockdown" sind, gibt es einen Ort im Land, wo trotz hoher Corona-Zahlen weiterhin viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen: die Schulen. Über Stunden sitzen dort nach wie vor 20, 30 oder mehr Schüler in einer Klasse - mit Maske. Denn anders als im Frühjahr, als auch die Schüler in den "Lockdown" mussten, wird jetzt versucht, genau diesen Schritt zu vermeiden.
Einigkeit darüber herrscht aber nicht. Seit Wochen attackieren SPD und Grüne die Landesregierung für das Festhalten am Präsenzunterricht in den Klassen. Stattdessen, so fordern die beiden Oppositionsparteien, sollten kleine Gruppen gebildet werden und vor allem ältere Schüler mehr digitalen Unterricht bekommen.
Opposition startet "Schul-Gipfel" - ohne die Regierung
Am Dienstag wollen sie den Druck noch einmal erhöhen und veranstalten einen "Schul-Gipfel". Dort sollen Vertreter von Schülern, Lehrern, Schulleitern, Eltern und Kommunen bessere Lösungen zum Umgang mit der Corona-Pandemie ausloten. "Wir wollen keine Konflikte", so SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty. "Wir wollen einen Schulkonsens haben in diesem Bereich, wo alle Beteiligten auch sagen: Das sind Lösungsvorschläge, damit kann man leben."
Die Landesregierung ist nicht mit dabei. Ihre Haltung ist klar: Sie will so lange wie möglich am Unterricht im Klassenzimmer festhalten. Erst am Montagabend sprach sich Vize-Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) vehement dagegen aus, die Klassen zu verkleinern. "Es ist doch eine naive Vorstellung zu glauben, ich kann mal einfach eine Klasse teilen", sagte er im ZDF-"heute-journal". Dafür gebe es nicht genug Lehrer.
Streit um Solinger Sonderweg
Für Ärger sorgten kürzlich die Pläne der Stadt Solingen. Die hatte angekündigt, dass wechselweise die eine Hälfte einer Klasse im Präsenz-, die andere Hälfte daheim im Distanzunterricht lernen soll. Das Schulministerium untersagte der Stadt aber diesen Sonderweg.
Umso überraschender war es am Montag, dass sich die Solinger über prominente Unterstützung freuen konnten. Denn kurz vor dem Beginn des Bund-Länder-Treffens über die nächsten Corona-Schritte wurde bekannt, dass nun auch das Kanzleramt eine Klassenteilung vorschlägt. Am Ende setzten sich aber die Länder durch, die gegen eine Teilung sind.
Schulen sind verstärkt betroffen
Dabei wird immer deutlicher, dass das Coronavirus nicht vor den Schulen halt macht. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagt, dass Problem sei "immer unterschätzt worden". Die Infiziertenzahl bei den 10- bis 19-Jährigen sei etwa zehnmal so hoch wie während der ersten Corona-Welle. Und Studien zeigten, dass sich Kinder in erster Linie in der Schule infizierten und dann ihre Eltern ansteckten.
Dazu passen auch die neusten Zahlen des Schulministeriums. Demnach befanden sich zum Stichtag 11. November fast 74.000 Schüler in Quarantäne - knapp 24.000 (oder fast 50 Prozent) mehr als noch eine Woche zuvor. Auch der Anteil des Präsenzunterrichts ist gesunken: Mittlerweile bieten noch rund 81 Prozent der NRW-Schulen regulären Präsenzunterricht für alle Klassen an. Eine Woche zuvor waren es noch rund 87 Prozent gewesen.
Schulministerin beruft sich auf Umfragemehrheit
Auch Lehrer- und Elternvertreter fordern deshalb ein Umschwenken der Landesregierung. Die aber beruft sich darau, eine Mehrheit hinter sich zu haben. Denn um ihrer Schulministerin Yvonne Gebauer den Rücken zu stärken, hat die FDP-Landtagsfraktion eine Umfrage in Auftrag gegeben. Und dort antworteten 56,1 Prozent auf die Frage, ob der Schulunterricht auch bei erhöhten Infektionszahlen grundsätzlich weiter in Präsenz stattfinden solle, mit "Ja, auf jeden Fall" oder "Eher ja".