Erst Lockerungen, dann Lockdown? Vor einem Monat diskutierte die Republik noch über einen "Freedom Day", sprich das Ende der Corona-Regeln. Mittlerweile stehen die Zeichen wieder auf Regel-Verschärfungen. Entsprechende Forderungen kommen nicht nur aus Wissenschaft und Politik, sondern auch aus der Bevölkerung.
Virologe Stöhr: "Kontakte reduzieren"
Man müsse dringend die Impfungen vorantreiben - "und natürlich die Kontakte reduzieren", sagte Virologe und Epidemiologe Klaus Stöhr am Montag im "Morgenecho" bei WDR5. Wichtig sei es, die Corona-Regeln regional zu verschärfen: "Also nicht das ganze Land lahmlegen mit so einer Rasenmäher-Methode."
Hospitalisierung: Große Unterschiede zwischen Ländern
Tatsächlich unterscheiden sich die Hospitalisierungsraten in den Bundesländern stark. In NRW liegt der Wert am Montag nach Angaben des Robert Koch-Instituts bei 3,84 - in Bayern bei 8,24 und in Thüringen sogar bei 18,21.
Drosten wegen Omikron "ziemlich besorgt"
Sorgen bereitet vielen vor allem die "besorgniserregende" Omikron-Variante des Coronavius, die nun auch in Europa aufgetaucht ist. "Ich bin schon ziemlich besorgt", sagte dazu Virologe Christian Drosten am Sonntagabend im ZDF-"heute journal". Schon vor Wochen sagte Drosten, dass er mit neuen "Shutdown-Maßnahmen" rechne.
Leopoldina fordert Impfpflicht und Kontaktbeschränkungen
Am Samstag forderte nun auch die nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina schärfere Corona-Regeln. In einer Ad-hoc-Stellungnahme teilte sie mit: Über die "Erhöhung der Impfquote hinaus ist es dringend notwendig, zusätzliche sofort wirkende Maßnahmen umzusetzen". Zu den konkreten Leopoldina-Forderungen gehören:
- "stufenweise Impfpflicht", erst für bestimmte Berufsgruppen, danach aber auch für alle
- "sofortige umfassende Kontaktbeschränkungen, zumindest in Regionen mit hoher Inzidenz"
Unterstützt werden die neuen Leopoldina-Forderungen auch von der Gesellschaft für Virologie und der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
Weiteres Vorgehen: Politik noch uneins
In der Politik herrscht noch Uneinigkeit, was nun erforderlich ist: Ein schnelles Nachschärfen des eben erst in Kraft getretenen neuen Infektionsschutzgestzes durch den Bundestag? Oder sollten zunächst die einzelnen Länder umsetzen, was ihnen das Infektionsschutzgesetz schon erlaubt? In einem zumindest herrscht seit dem frühen Montagnachmittag Klarheit: Die nächste Bund-Länder-Schalte findet schon am Dienstag (30.11.2021) statt.
"Der Beschluss der Ampel im Bundestag kann nur ein erster gewesen sein", wird Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen am Montag in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitiert. Nun müssten Bund und Länder klären, wie die Regeln eingeführt und kontrolliert werden.
Zu denjenigen, die eine Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes fordern, gehört Bayerns Länderchef Markus Söder (CSU). Welche Details aber genau verschärft werden sollen, ist noch fraglich. Sollten die Länder zum Beispiel auch flächendeckende Schulschließungen und Ausgangsbeschränkungen verhängen dürfen?
Lindner gegen Ausgangsbeschränkungen
FDP-Chef Christian Lindner hält sogenannte Ausgangssperren für keine gute Idee. Sie hätten einen sehr hohen sozialen Preis mit nicht klar nachgewiesenem Nutzen, sagte er am Sonntag im ZDF. Am Dienstag wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über Verfassungsbeschwerden gegen die Corona-Notbremse des Bundes aus dem Frühjahr erwartet.
Der voraussichtlich neue Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Wochenende mit Blick auf die Corona-Bekämpfung betont: Es gebe nichts, was nicht in Betracht gezogen werde.
Umfrage: 52 Prozent für schärfere Corona-Regeln
Auch in der Bevölkerung sind mittlerweile viele für eine Verschärfung der Corona-Regeln. Aktuell spricht sich etwa die Hälfte der Deutschen (52 Prozent) dafür aus, teilte die Forschungsgruppe Wahlen am Freitag in ihrem Politbarometer mit. Ende Oktober waren es noch 20 Prozent.
Unabhängig von etwaigen Regel-Verschärfungen soll noch vor dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung ein neuer Corona-Krisenstab seine Arbeit aufnehmen. Als Zeithorizont gab SPD-Chefin Saskia Esken auf Twitter "in Kürze" an - also womöglich schon diese Woche.
Als Leiter des Krisenstabs ist nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" Generalmajor Carsten Breuer im Gespräch. Der 56-Jährige, gebürtig aus Letmathe (Iserlohn), ist Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zuständig ist.