"Die Lage ist ernst." Das bekannte Zitat von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Corona-Krise passt leider auch zur Lebenssituation junger Menschen in dieser. Hört man ihnen zu, wird man mit erschreckenden Aussagen konfrontiert. Egal ob Schüler, Studierende oder Auszubildende: Viele werden vor allem psychisch noch lange unter den Folgen der Pandemie leiden, selbst wenn diese doch irgendwann einmal beendet sein sollte.
Johanna Börgermann von der Schüler:innenvertretung NRW sagte dem WDR am Freitag: "Es kommen zwei Komponenten zusammen. Einmal die persönliche Krise in der Pandemie und dann auch noch der Schuldruck, der das alles intensiviert, weil die Abschlussarbeiten geschrieben werden, als gebe es keine Pandemie. Trotz allem muss man die Leistung hochhalten."
Belastend seien auch Existenznöte der Eltern und eigene Zukunftsängste, die Sorge darüber, dass der Schulabschluss schlechter und Hochschulzugänge schwieriger würden als vor Corona.
Studie: Jugendliche fühlen sich stark belastet
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung bestätigt Börgermanns Aussagen. Demnach fühlen sich 61 Prozent der jungen Menschen in Deutschland teilweise oder dauerhaft einsam. 64 Prozent stimmen zum Teil oder voll zu, psychisch belastet zu sein. 69 Prozent plagen Zukunftsängste.
"Die Studie ist zwar nicht repräsentativ, gibt aber ein breites Stimmungsbild der jungen Menschen wieder", sagte Antje Funcke dem WDR. Sie ist "Senior Expert Familie und Bildung" bei der Bertelsmann-Stiftung. Für die Studie seien 12.500 junge Leute online befragt worden, das Durchschnittsalter habe bei 19,4 Jahren gelegen.
Jugend bemängelt: "Die Bösen werden bei uns gesucht"
Johanna Börgermann macht besonders wütend, dass Jugendliche in der Pandemie häufig nur als Regelverletzer dargestellt würden, Stichwort illegale Partys: "Man hält sich seit 13 Monaten an die Regeln, damit zum Beispiel ältere Leute nicht in Gefahr geraten, und trotzdem wird auf uns geguckt. Die Bösen werden bei uns gesucht und nicht woanders."
In ihrem Bekannten- und Freundeskreis hielten sich alle an die Regeln: "Wir haben noch nicht einmal unsere 18. Geburtstage gefeiert, auch nicht im kleinen Kreis."
Studium auf zwölf Quadratmetern
Schwierig ist das Leben derzeit auch für Studierende, nicht nur wirtschaftlich, weil viele Minijobs weggefallen sind. Die Kölner Studentin Luita Hantzopoulos absolviert schon ihr drittes Online-Semester in Medienkulturwissenschaft und Englisch und schreibt derzeit ihre Bachelorarbeit.
Ihre Bestandsaufnahme der Krise hört sich so an: "Wir haben keine normale Lernsituation, da uns keine Bibliotheken und Lernräume zur Verfügung stehen. Stattdessen starre ich stundenlang auf meinen Computer und mein Leben spielt sich in einem Zwölf- Quadratmeter-WG-Zimmer ab. Insbesondere in der letzten und wichtigsten Phase meines Studiums belastet mich die Corona-Pandemie erheblich."
Mangel an sozialen Kontakten "am schwierigsten zu bewältigen"
Viele junge Menschen vermissen besonders ihre sozialen Kontakte, freundschaftliche Beziehungen. "Das ist am schwierigsten zu bewältigen", sagt die Studierende Alexia Hack.
Dass man unter fehlenden Treffen in Clubs, Cafés und Bars leide, sei in der breiten Öffentlichkeit vor allem während des ersten halben Jahres der Pandemie kritisch beäugt worden und auf wenig Verständnis gestoßen.
Von der Politik allein gelassen
In dieses Bild passt, dass sich junge Menschen auch von der Politik im Stich gelassen fühlen. "Wir werden nicht einbezogen und es gibt auch keine Ideen, uns zu helfen, zum Beispiel, dass man in der Schule den Notendruck rausnimmt und die Abschlüsse angepasst werden", sagt Schüler-Sprecherin Börgermann.
Kein Bezug zur jüngeren Generation
Auch der Journalist Mirko Drotschmann, bekannt als WDR-"MrWissen2Go", beklagt, dass junge Leute in der Politik keine Lobby haben. "Die fehlt tatsächlich. Bei vielen Politikerinnen und Politikern ist die Lebensrealität eine ganz andere und es fehlt der Bezug zur jüngeren Generation", sagte er im Newsroom-Livestream.
Womöglich würde die Politik deutlich aufmerksamer die Nöte und Sorgen junger Leute wahrnehmen und verstehen lernen, wenn diese wählen dürften. Drotschmann: "Ich würde mir schon wünschen, dass man das Wahlalter herabschraubt - mindestens auf 16 Jahre." Es gebe zudem den interessanten Vorstoß von einigen Bundestagsabgeordneten und dem ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof für ein Wahlrecht ab null Jahren.
Für Johanna Börgermann muss sich aber viel schneller als das Wahlrecht etwas anderes ändern: "Wir bräuchten auch Angebote zum Aufarbeiten der Krise in Gesprächen mit Psychologen und Psychologinnen, Sozialarbeitern und Sozialarbeiterinnen. Damit wir das Gefühl bekommen, gesehen und wahrgenommen zu werden."