"Wir sind hier nicht auf Mallorca, wir sind hier in Gütersloh", erklärt Andreas Gülünay, Chef von drei Hotels und Restaurants in der ostwestfälischen Kreisstadt. "Hier kommen keine Touristen hin, sondern 98 Prozent der Leute die hier hinkommen, kommen aus beruflichen Gründen", sagt der Gastronom und schaut dabei über die unzähligen, durchgestrichenen Reservierungen in seinen Auftragsbüchern.
Einigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern musste er bereits kündigen, die restlichen 30 Festangestellten musste er in Kurzarbeit schicken. Das Geld, das in der Kasse fehlt, gleicht Andreas Gülünay mit privaten Ersparnissen aus. Dieses Geschäftsjahr habe er seit Inkrafttreten der regionalen Beschränkungen schon abgeschrieben.
Tausende Unternehmen spüren sogenannten "Lockdown"
Gülünay ist einer von mehreren tausend Unternehmern im Kreis Gütersloh, die die Auswirkungen des regionalen "Lockdowns" wegen des Corona-Ausbruchs beim Fleischverarbeiter Tönnies aus Rheda-Wiedenbrück besonders zu spüren bekommen. Seit dem 24. Juni sind Museen, Kinos, Fitnessstudios, Hallenschwimmbäder und Bars geschlossen. Dazu gilt ein Kontaktverbot – es dürfen sich nur Menschen aus einer Familie oder einem Hausstand bzw. zwei Personen in der Öffentlichkeit zusammen aufhalten.
Laut Landesregierung gelten die Beschränkungen noch bis zum Dienstag, 7. Juli – sollte die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche bis dahin auf unter 50 pro 100.000 Einwohner gefallen sein. Zum Wochenende lag die Zahl der Neuinfektionen noch leicht darüber (Samstag, 04. Juli.: 66,5).
IHK-Sonderumfrage zu wirtschaftlichen Schäden
Nach fast zwei Wochen "Lockdown-Light" sind im Kreis Gütersloh massive wirtschaftliche Schäden zu befürchten. Nach Zahlen der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, hatte die Corona-Pandemie der Wirtschaft im Kreis Gütersloh schon davor deutlich zugesetzt.
Eine Sonderumfrage der IHK unter 347 Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistung hatte im Juni gezeigt, dass es den meisten Betrieben nicht gut geht. 42 Prozent nannten ihre Lage "schlecht", 75 Prozent gingen davon aus, dass sich ihre Situation noch verschlechtern wird. Nur drei Prozent zeigten sich optimistisch.
Einschätzung der Lage nach den erneuten Beschränkungen
Bei der Frage, wie es jetzt in Zeiten der erneuten Maßnahmen aussieht, könne man davon ausgehen, dass sich die Lage weiter verschlechtern wird, sagt IHK-Sprecher Jörg Deibert. Immerhin hätten bereits im Juni mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Betriebe im Kreis Gütersloh angekündigt, Personal abbauen zu wollen.
Wie vielen Unternehmen jetzt die Pleite droht, lässt sich laut IHK noch nicht genau sagen. Sie befürchtet aber, dass etwa jedes Zehnte in den kommenden Monaten zahlungsunfähig werden könnte. Jede weitere Woche mit den Beschränkungen wäre ein Nackenschlag für jedes Unternehmen im Kreis.
Dauerhafter Imageschaden?
Darüber hinaus droht der Region Gütersloh ein dauerhafter Imageschaden. "Jede negative Berichterstattung ist was, was nicht gut ist für die Region", sagt IHK-Sprecher Deibert. "Der einzige Vorteil ist, dass die Region dadurch bekannt geworden ist weltweit" und die negativen Aspekte bald in Vergessenheit geraten könnten.
Eine Hoffnung, die auch Hotel-Chef Andreas Gülünay hat. Richtig daran glauben mag er momentan aber nicht: "Wenn man in zwei Jahren in den Urlaub fährt und einer sagt 'wo kommst du her, aus Gütersloh?', dann wird man sagen 'ooohh die Coronastadt'. Das wird mit Sicherheit bleiben."