Corona macht keine Depressionen, aber Ängste

Stand: 10.11.2020, 13:02 Uhr

Die Corona-Pandemie belastet viele Menschen. Manche haben Sorge um ihren Job. Andere fürchten zu vereinsamen. Eine neue Befragung zeigt: Besonders betroffen sind depressive Menschen.

Von Karin Bensch

"Angst vor Corona macht keine Depression", stellt Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Professor an der Klinik für Psychiatrie der Universität Frankfurt, klar. Denn Depression sei eine eigenständige Erkrankung. "Fast ebenso viele Menschen mit wie ohne Depressionen haben Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus. Etwa 40 Prozent der Befragten", sagt Hegerl.

Corona-Einschränkungen beeinflussen besonders Depressive

Das ist ein Ergebnis des neuen Deutschland-Barometer Depression. Dafür wurden im Sommer knapp 5.200 Menschen zwischen 18 und 69 Jahren online zum Thema Depression in Corona-Zeiten befragt. Darunter vor allem depressive Menschen.

Das Ergebnis: Die Corona-Einschränkungen belasten Depressive deutlich mehr. Laut der Befragung leiden an Depressionen erkrankte Menschen fast doppelt so häufig unter einer fehlenden Tagesstruktur wie psychisch gesunde Menschen.

Angebote sollten nicht heruntergefahren werden

"Sie liegen mehr im Bett. Das kann bei vielen Menschen mit Depressionen die Krankheit verstärken", erklärt der Psychiater. Hinzu kommt: Für jeden zweiten Depressiven fiel während der ersten Corona-Welle die Behandlung bei Fachärzten oder Psychotherapeuten aus.

"Depression ist eine schwere, oft lebensgefährliche Erkrankung. Wenn man die Diagnose hat, lebt man im Schnitt zehn Jahre weniger. Hier die Versorgung runter zu fahren, das wird massive, gesundheitliche Konsequenzen haben", mahnt Hegerl. Der Krankheitsverlauf könne sich verschlechtern, es könne mehr Suizidfälle geben.

Corona schürt Ängste

Doch auch viele Menschen, die nicht an Depressionen leiden, haben derzeit mehr Probleme in ihrem Leben. "Etwa jedem dritten Anrufer geht es um Ängste, die durch Corona hervorgerufen werden", erzählt Annelie Bracke, die Leiterin der katholischen Telefonseelsorge in Köln. Das führe zu emotionalem Stress und einer bedrückten Stimmung.

Vor allem ältere Menschen sprechen laut der Telefonseelsorge von Vereinsamung. Andere Anrufer hätten Sorge, ihren Job zu verlieren, Selbstständige reden über Existenzängste. Studierende erzählen, dass Prüfungen sie mehr stressen, weil fast nur noch allein zuhause lernen. "Die größten Probleme haben Menschen, deren Lebensgrundlage total erschüttert ist oder, deren soziale Kontakte extrem eingeschränkt sind", sagt Annelie Bracke.

Wo bekomme ich Hilfe?

  • Wem es psychisch schlecht geht, kann sich Hilfe holen. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr erreichbar (0800 / 1110111).
  • Dort gibt es eine eigene Nummer für Kinder und Jugendliche (0800 / 16111) sowie für Eltern (0800 / 1110550).
  • Hilfreich kann auch die kostenfreie App "Krisen-Kompass" sein. Dort gibt es Tipps zur Selbsthilfe, Kontakte zu Beratungsdiensten und Therapeuten.
  • Auch die Stiftung Deutsche Depressionshilfe hat ein Info-Telefon (0800 / 33 44 533).
  • Für Familie und Freunde depressiver Menschen bietet die AOK mit ihrem "Familiencoach Depression" ein Online-Programm mit Übungen und Videos an.