Erdoğan bleibt Präsident: Anhänger in NRW feiern mit Autokorsos
Stand: 29.05.2023, 13:12 Uhr
Riesen-Jubel bei Erdoğan-Anhängern in NRW. Der Amtsinhaber hatte die historische Stichwahl um das Präsidentenamt in der Türkei knapp gewonnen. Bei den Türken in Deutschland hatte er mehr als 65 Prozent der Stimmen bekommen.
Seit Republikgründer Atatürk hat wohl kein Politiker die Türkei so sehr geprägt wie er: Recep Tayyip Erdoğan. Der 69-Jährige hat die Stichwahl gegen Kemal Kilicdaroglu nur knapp gewonnen und darf weitere fünf Jahre das Land regieren.
Deutsch-Türken deutlich für Erdoğan
Weniger knapp fiel das Ergebnis der Stichwahl in Deutschland aus. Beim Stand von rund 95 Prozent der ausgezählten Wahlurnen aus Deutschland kam Erdoğan laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auf 67,4 Prozent der Stimmen. Schon im ersten Wahlgang hatte Erdoğan bei den Türken in Deutschland mehr als 65 Prozent der Stimmen bekommen - und damit deutlich mehr als beim Gesamtergebnis.
Autokorso in Duisburg - Demo in Essen
Am Sonntagabend gingen begeisterte Anhänger des Präsidenten vielerorts auf die Straße. Im Duisburger Norden seien mehrere Hundert Fahrzeuge und mehrere Hundert Personen zu Fuß unterwegs gewesen, teile die Polizei mit. Autokorsos legten den Verkehr lahm - bis zu 5.000 Menschen versammelten sich zu einem spontanen Demonstrationszug. Vereinzelt sei auch Pyrotechnik gezündet worden. In den Fällen habe man Anzeige erstattet. Darüber hinaus sei aber alles friedlich, so die Polizei.
Die Polizei in Essen berichtet von einer kleineren Demonstration vor dem Generalkonsulat. In Köln blieb es nach Angaben vom frühen Sonntagabend dagegen zunächst ruhig.
Über 80 Platzverweise in Dortmund - Schreckschüsse in Krefeld
Nach Angaben der Dortmunder Polizei gab es Strafanzeigen, Ordnungswidrigkeiten, Verwarngelder und 82 Platzverweise für Erdoğan-Anhänger. Ein Teilnehmer eines Autokorsos habe einen Polizisten angegriffen, woraufhin der Beamte seinen Schlagstock eingesetzt habe.
Außerdem hätten Einsatzkräfte bei den Feiernden illegale Pyrotechnik sichergestellt. Mehrere Straßen und der Borsigplatz in der Innenstadt seien zeitweise durch Autokorsos und feiernde Menschen blockiert gewesen. Autofahrer seien laut Polizei "unentwegt hupend und mit laut aufheulenden Motoren durch die Innenstadt" gefahren. Zahlreiche Bürger hätten sich über den Lärm beschwert.
In Krefeld gab es einen Einsatz, weil bei einem Korso mit mehreren Hundert Autos Schüsse aus einer Schreckschusswaffe abgefeuert wurden. In Gelsenkirchen waren nach Polizeiangaben etwa 1.000 Menschen auf den Straßen, in vielen weiteren Städten sprachen die Einsatzkräfte von einigen Hundert Feiernden.
Kritik von Cem Özdemir
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) kritisierte, dass die, die jetzt in Deutschland feiern, nicht für die Folgen ihrer Wahl einstehen müssten - in der Türkei müssten das viele durch Armut und Unfreiheit.
Glückwünsche von Biden und Putin
Jubel bei Erdoğan-Anhänger in Istanbul
Aus dem Ausland trafen zahlreiche Glückwünsche in der Türkei ein: Russlands Präsident Wladimir Putin, US-Präsident Joe Biden, Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Vertreter gratulierten dem seit 20 Jahren regierenden Erdoğan zu einer weiteren Amtszeit.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte dem Wahlsieger auf Twitter und betonte, Deutschland und die Türkei seien enge Partner und Alliierte. "Nun wollen wir unsere gemeinsamen Themen mit frischem Wind vorantreiben", kündigte Scholz an.
Verschärft Erdoğan seinen autoritären Kurs weiter?
Erdoğan nach der Wiederwahl zum Türkischen Präsidenten
Erdoğan selbst rief nach seinem Sieg sein Land zur "Einheit und Solidarität" auf. Der Westen wirft ihm vor, mit zunehmend harter Hand zu regieren und das Land in den vergangenen zwei Jahrzehnten in eine Autokratie geführt zu haben. Nach dem Sieg des Amtsinhabers wird erwartet, dass dieser seine Macht zementiert und seinen autoritären Kurs weiter verschärft.
Erdoğan hatte 2017 nach einem Referendum das Präsidialsystem eingeführt, das ihm weitreichende neue Befugnisse gab. Seitdem ist er Präsident, Regierungschef und Vorsitzender seiner Partei AKP in einem.
Herausforderer Kılıçdaroğlu kam bei der Stichwahl auf knapp 48 Prozent. Er beklagte die "ungerechteste" Wahl überhaupt und "die weit größeren Probleme", die das Land nun erwarteten. "Bei dieser Wahl ist der Wille des Volkes für den Wechsel einer autoritären Regierung trotz aller Repressionen deutlich zum Ausdruck gekommen."