Tödliche Schüsse auf 16-Jährigen: Wer war Mouhamed Dramé?

Stand: 21.09.2022, 15:02 Uhr

Anfang August wurde Mouhamed Lamine Dramé bei einem Polizeieinsatz in der Dortmunder Nordstadt von einem Polizisten erschossen. Der 16-Jährige war erst seit wenigen Tagen in Dortmund.

Während über die tödlichen Schüsse auf Mouhamed Dramé viel berichtet wird, ist über den Menschen Mouhamed Dramé, seinen Weg nach Deutschland und seine Familie wenig bekannt. Zusammen mit William Dountio konnte der WDR mit der Familie des 16-Jährigen sprechen.

Dountio hatte nach den tödlichen Schüssen Demonstrationen organisiert und telefoniert seitdem regelmäßig mit Mouhameds Familie. In dem Videotelefonat erzählt Sidy Dramé - Mouhameds ältester Bruder - wie Mouhamed war, und was ihn nach Deutschland führte.

Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen im Süd-Westen Senegals

Mouhamed Drame

Mouhamed, 16 Jahre

Mouhamed war das viertälteste von insgesamt zehn Kindern einer Familie, die in ärmlichen Verhältnissen in einem Dorf im Süd-Westen Senegals lebt. Der Vater versucht mit Gelegenheitsjobs die Familie über Wasser zu halten. Vor knapp zwei Jahren, so berichtet es Sidy, habe sich Mouhamed von seiner Familie verabschiedet und alleine auf den Weg nach Deutschland gemacht. Hier wollte er arbeiten, um Geld für seine Familie im Senegal zu verdienen. Seine Familie setzte große Hoffnungen in den jungen Mouhamed: "Wir haben gedacht, dass er unser Leben komplett verändert."

Über Marokko und Spanien nach Dortmund

In der senegalesischen Küstenstadt Saint Louis soll sich Mouhamed zunächst einen Pass besorgt haben. Von da aus ging es weiter nach Marokko und später nach Spanien, erzählt Sidy, der regelmäßig mit seinem Bruder telefoniert hatte.

Nach über zwei Jahren kam Mouhamed Anfang August in Dortmund an. Er landete in einer Jugendhilfeeinrichtung in der Nordstadt. Deutsch sprach er nicht. Mouhamed sei ein "fleißiger, starker und intelligenter" Junge gewesen, der gerne Fußball gespielt hat, beschreibt ihn Sidy.

Letztes Telefonat mit dem Bruder

Am 7. August telefonierte Mouhamed zum letzten Mal mit Sidy im Senegal. Ein Videoanruf - seinem Bruder sei es gut gegangen, erinnert sich Sidy: "Er hat mich geneckt, ich habe ihn geneckt. Wir haben uns unterhalten und er hat gesagt, dass er uns bald Geld schicken möchte." In Mouhameds Gesicht habe er keine Traurigkeit gesehen.

Am selben Abend soll Mouhamed zu einer Polizeiwache gegangen sein und Selbstmordabsichten geäußert haben, heißt es in einem vertraulichen Bericht. Der 16-Jährige wurde in eine Klinik gebracht, wo er die Selbstmordgedanken wieder bestritten haben soll. Stattdessen habe er gesagt, er wolle in seine Heimat zurück.

Am Nachmittag des 8. August saß er mit einem Messer im Innenhof seiner Jugendeinrichtung. Ein Betreuer rief die Polizei. Wenig später starb Mouhamed durch Schüsse aus einer Maschinenpistole der Polizei.

Mouhameds Familie fordert Aufklärung des Falls

Noch am selben Tag erfuhr die Familie, dass Mouhamed tot ist. Am 19. August wurde er auf Wunsch der Familie im Senegal beerdigt. Besonders die Mutter leide unter dem Tod ihres Sohnes, erzählt Sidy. "Sie isst kaum noch etwas, sie ist hoffnungslos und sie ist krank."

Sidy Dramé möchte gerne mit seinem Vater nach Deutschland kommen: "Ich möchte mal genau da sein, wo mein Bruder gestorben ist. Da meine Füße hinsetzen." Er und die ganze Familie wollen, dass der Fall aufgeklärt wird - sie wollen erfahren, warum ihr Sohn und Bruder in Deutschland erschossen wurde.