In einer Stunde hat Angelika Dobrick Feierabend und schaut prüfend auf das Armaturenbrett ihres Elektro-Taxis: Unten links im Display zeigt die Akkuanzeige 66 % und der Balken leuchtet im entspannten Blau. Daneben steht die entscheidende Zahl: Ihr Wagen kann noch 252 Kilometer fahren. Genug für einen ganzen Arbeitstag:
Reichweite ausreichend
"Der Wagen hat eine Reichweite von etwa 380 Kilometern und da müsste ich anderthalb Schichten ohne Nachladen machen, erst dann habe ich ihn leer gefahren. - Ich fahre durchschnittlich 200 bis 230 Kilometer pro Schicht. Da reicht eine Ladung also völlig aus."
NRWs Elektro-Taxi-Pionierin
Angelika Dobrick liebt das entspannte Surren ihres E-Taxis und die Ruhe schätzen auch ihre Kunden. Die Bochumerin kann nur empfehlen, dass auch andere Taxis mit Strom fahren. Sie muss es wissen: Angelika Dobrick hat vermutlich so viele Elektro-Kilometer in einem Taxi zurückgelegt wie kein anderer in NRW.
Angelika Dobrick am Steuer ihres Elektro-Taxis
Schon seit 2017 sitzt sie werktäglich am Steuer eines E-Taxis und ist bereits mehrere hunderttausend Kilometer elektrisch gefahren. "Ich wurde auch anfangs immer belächelt am Taxistand. Aber ich habe die Kollegen da auch einfach nicht ernst genommen, weil ich die einfach nur eines Besseren belehren kann."
Elektro-Taxi ist alltagstauglich – mit Einschränkungen
Angelika Dobrick ist Fahrerin beim Bochumer Taxiunternehmer Markus Wahl. Er hat 2017 mit vier E-Taxis das Pionierprojekt gestartet. Damals hatten die Modelle nur eine Reichweite von etwa 200 Kilometern. Da war tägliches Schnell-Laden auf dem Firmengelände an der hauseigenen Ladesäule Pflicht.
Die Ladesäulen hatte Markus Wahl damals gleich mitgekauft und allein dafür 60.000 Euro bezahlt. Dadurch aber waren die E-Wagen innerhalb seiner Flotte sehr gut einsetzbar: Einmal Schnell-Laden am Tag reichte. Heute – mit den größeren Akku-Kapazitäten – ist Nachladen während der Tagschicht nur im Ausnahmefall nötig. Das funktioniert, weil der Unternehmer seine E-Autos gezielt einsetzt.
Fuhrpark aus Verbrennern und Stromern
Markus Wahl will demnächst seine Flotte um weitere E-Autos erweitern
Über seine firmeneigene Taxizentrale steuert er, welche Strecke einer seiner zehn Diesel übernimmt und welche Strecke einer seiner Stromer. Ein E-Taxi, meint Markus Wahl, ist eben nicht für jede Fahrt einsetzbar: "Von Bochum aus nach Gelsenkirchen, nach Essen, Hattingen, Dortmund, Düsseldorf. Das geht alles, aber wenn jetzt wirklich so lange Fahrten kommen – und wir haben regelmäßig aus den Krankenhäusern Entlassungsfahrten und da geht es halt schon mal in die paar hunderte Kilometer rein – da kommen wir ohne Verbrennerfahrzeuge noch nicht zurecht."
Kaum Stromer am Taxistand
Neben Markus Wahl sind kaum Unternehmen mit E-Taxis in NRW zu finden: In Dortmund etwa gibt es nur ein einziges konzessioniertes E-Taxi und im Einsatz gesehen haben das die anderen Fahrer und Kleinunternehmer am Taxistand des Dortmunder Hauptbahnhofes bisher nicht. Es ist mittags und wir treffen Cengiz Bozkul. Er ist im Januar frisch als Unternehmer eingestiegen und hat zwei Taxis konzessioniert. Klar hatte er überlegt, E-Autos einzusetzen, meint er.
Taxiunternehmer Cengiz Bozkul schreckt die Reichweite ab
Aber er hatte sich das mal durchgerechnet und für sich entschieden, dass ihm das Risiko zu hoch ist. Die Anschaffungskosten sind das eine – die Reichweiten das andere: "Ich habe kürzlich noch eine Nachricht gehört, wo gesagt wird, dass die Elektroautoindustrie die Kilometer ja ziemlich überschätzt darstellen. Ein Auto, was eigentlich 350 Kilometer fahren soll, fährt im Winter nur 160 Kilometer und das wird beim Taxi überhaupt nicht funktionieren."
Taxi Dortmund: "Wir brauchen Förderung"
Die Skepsis spürt Tahir Akbas bei vielen Unternehmern. Er ist Leiter von Taxi Dortmund, einer Zentrale bei der 380 Einzelunternehmer organisiert sind. Tahir Akbas vertritt sie und außerdem ist er im Vorstand vom Taxi-Verband NRW. Er meint: Es brauche Anreize von Seiten des Landes oder der Stadt, etwa Zuschüsse beim Kauf der teuren Fahrzeuge. Oder spezielle Ladesäulen nur für Taxis.
Mehr Ladesäulen nötig
Es gab in der Vergangenheit zwar Gespräche mit der Stadt darüber, aber ohne Ergebnis, so Akbas: "Wir Taxler wünschen uns nicht sehr viele Schnell-Ladesäulen - nur zwei bis drei im Norden, Süden und Osten der Stadt. Exklusiv nur für Taxis. Aber mit Ladestationen, wo jeder tanken kann, kann der Taxler nicht leben. Und dann wird natürlich das alte Auto weitergefahren oder wird wieder ein Fossilverbrenner bestellt. Auch vom Preis her ist der Fossilverbrenner ja immer noch deutlich günstiger."
Stadt Dortmund: App statt Zuschüsse
Laden statt Warten: Warte-App der Stadt Dortmund soll Taxifahrer umstimmen
Die Stadt Dortmund wünscht sich mehr E-Taxis, vor Allem weil Elektro-Taxis innerstädtisch keine Feinstäube oder andere Schadstoffe ausstoßen und damit die Luft in der Stadt besser werden könnte. Doch von Zuschüssen zum Kauf von E-Autos und von speziellen Ladesäulen für Taxis hält die Stadt nichts. Stattdessen hat sie das Projekt VIZIT (Virtuelle Integration dezentraler Ladeinfrastruktur in Taxistände) ins Leben gerufen. Das Team rund um Projektleiter Rafael John Santiago hat eine App entwickelt: Wenn ein Taxi an einer öffentlichen Ladesäule lädt, reiht sich der Fahrer virtuell in die Taxi-Warteschlange ein. Laden statt Warten, so das Konzept.
Dadurch würde Laden ohne Verdienstausfall möglich. Doch das kommt bei den Dortmunder Taxi-Fahren bisher nicht gut an. – Die Stadt hofft nun auf neue günstigere E-Autos, die dann auch für die Taxibranche interessant werden.
Bochumer E-Taxi-Pionier macht weiter
Taxifahrer fürchten belegte Ladestationen
Klar ist: Die Taxi-Unternehmer sind in der Corona-Zeit auf die Probe gestellt worden. Die Phase von "Wenige Fahrgäste – wenig Umsatz" hat viele aussteigen lassen. Und die Übriggebliebenen rechnen seitdem noch genauer, was ein Fahrzeug kosten darf. Experimente können existenzbedrohend sein, daher ist die Zurückhaltung nachvollziehbar, meint Markus Wahl aus Bochum. Doch seine E-Fahrzeuge haben ihm seit 2017 viele Kosten eingespart. Denn die Stromkosten waren bis vor Kurzem deutlich günstiger als Diesel, und Wartungskosten hatte er seit 2017 auch kaum.
Allerdings: Zwei seiner ersten E-Autos haben einen Akku-Schaden. Wegen ihrer geringeren Reichweite musste der Bochumer sie täglich schnellladen und das hat offensichtlich die Akku-Zellen zerstört. Die Folge: wirtschaftlicher Totalschaden.
Stromer als Eratzteil-Lager
Seit zwei Jahren stehen zwei seiner Stromer daher auf seinem Hof rum mit 240.000 Kilometer auf dem Tacho – als Ersatzteil-Lager. "Da habe ich mir einfach mehr Entgegenkommen vom Hersteller gewünscht. Aber da kam gar nichts, obwohl ich viel Geld da gelassen hatte. Das war schon sehr enttäuschend. Trotzdem mache ich weiter: Aber dann halt mit einem anderen Hersteller." Noch in diesem Jahr will er sein nächstes E-Taxi bestellen.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 20.02.2024 auch im Fernsehen in der WDR Lokalzeit aus Dortmund.