Internationaler Tag gegen Prostitution

Lokalzeit aus Köln 05.10.2023 Verfügbar bis 05.10.2025 WDR Von Oliver Köhler

Schutz vor sexueller Ausbeutung – aber wie?

Stand: 05.10.2023, 21:10 Uhr

Frauenhilfsorganisationen und Berufsverbände von Sex-Arbeiterinnen streiten in NRW über die Zukunft der Prostitution. Die einen wollen den Kauf von Sex unter Strafe stellen. Die anderen fordern, Sex-Arbeit von Tabus zu befreien.

Nadine lebt in der Nähe von Köln. Seit 20 Jahren bietet sie erotische Dienstleistungen und Sex gegen Geld. "Mir gefällt diese Arbeit. Sie entspricht meinem Charakter“, sagt sie dem WDR. Nadine hat sich Stück für Stück in den Job hineingearbeitet, berichtet sie. "Ich liebe die Vielfalt. Ich kann heute in einem Bordell arbeiten, morgen auf der Straße und übermorgen mit anderen zusammen in einer Wohnung. Da gibt es unendlich viele Möglichkeiten“. Einen Zuhälter hat sie nie gebraucht und nie gewollt, sagt sie.

"Mir hat nie jemand vorgeschrieben, was ich zu tun habe. Ich entscheide selbst.“ Nadine, Prostituierte

Aber Nadine weiß auch, dass andere Frauen ausgebeutet, unter Druck gesetzt und misshandelt werden. "Um dagegen vorgehen zu können, muss unsere Arbeit von dem Stigma befreit werden. Die Tabus müssen weg“, fordert Nadine. "Wenn wir unsere Arbeit ganz selbstverständlich anbieten können, ohne dass sich jemand verstecken muss, wird es für Menschenhändler und Zuhälter viel schwerer, Frauen auszubeuten.“ Nadine engagiert sich im Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen gegen die Ausbeutung von Frauen.

"Bündnis Nordisches Modell"

Simone Kleinert vom "Bündnis Nordisches Modell“ setzt sich für dasselbe Ziel ein. Auch die Dortmunderin will Gewalt gegen Frauen stoppen. Allerdings fordert sie mit ihrem "Bündnis Nordisches Modell“ ein Sexkaufverbot. Das Verbot soll bei Freiern und Zuhältern ansetzen, nicht bei den Prostituierten.

"Die Prostituierten sind komplett entkriminalisiert. Kriminalisiert sind hingegen die Profiteure. Das sind die Freier, die Zuhälter, die Menschenhändler, die Bordellbetreiber“, sagt Simone Kleinert. Deutschland sei insbesondere durch die massenweise Zuwanderung aus Osteuropa in den vergangenen Jahren zum Bordell Europas geworden.

"Wir brauchen mehr Schutz und Unterstützung für Menschen, die sich prostituieren und aussteigen wollen. Und wir brauchen mehr Aufklärung über die Hintergründe von Prostitution“. Simone Kleinert, Bündnis Nordisches Modell

Entkriminalisierung der Prostituierten

Simone Kleinert möchte, dass Deutschland sich beispielsweise an Schweden orientiert. Dort gibt es das Sexkaufverbot schon länger. Andere Länder wie Irland und Kanada seien dem schwedischen Vorbild gefolgt.

Die Sexarbeiterin Nadine kennt die Verhältnisse in Schweden und Irland. "Sex gegen Geld gibt es da immer noch. Das ist nur nicht mehr auf den ersten Blick sichtbar. Es passiert im Verborgenen. Und das macht es für Frauen viel gefährlicher“, berichtet Nadine. "Im Untergrund sind die Frauen Zuhältern und Menschenhändlern vollkommen schutzlos ausgeliefert. Solche Verhältnisse können wir in Deutschland nicht wollen“.

Simone Kleinert sagt, dass trotz der liberalen Gesetze in Deutschland 80 Prozent der Prostituierten nicht angemeldet seien. "Die leben praktisch im Untergrund und werden ausgebeutet“. Nur weil es 20 Prozent der Prostituierten vermeintlich gut gehe, könne man nicht über das Schicksal der vielen anderen hinwegsehen.

Über dieses Thema berichten wir am 5. Oktober im WDR-Fernsehen: Lokalzeit aus Köln, 19:30 Uhr.

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