Gewalt gegen Frauen - Mit Orange positionieren

01:05 Min. Verfügbar bis 25.11.2025

"Gewalt fällt nicht vom Himmel" - Zum Tag gegen Gewalt an Frauen

Stand: 25.11.2023, 06:00 Uhr

Unsere Reporterin bekommt den Auftrag, zum Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Samstag zu recherchieren. Ein Gespräch mit einer Beraterin im Frauenzentrum in Troisdorf löst auch bei ihr persönlich viel aus.

Von Silke Niewenhuis

Am Anfang sind es nur Zahlen: Jede dritte Frau in Deutschland ist laut Bundeskriminalamt mindestens einmal in ihrem Leben von physischer oder sexualisierter Gewalt betroffen. "Dann kann es sein, dass auch ich mindestens eine davon kenne", denke ich, während ich zum Tag gegen Gewalt an Frauen recherchiere.

Ich wende mich an das Frauenzentrum in Troisdorf im Rhein-Sieg-Kreis. Die Diplom-Sozialarbeiterin Maren Diekmann ist spontan bereit, mit mir zu sprechen. Natürlich sei es wichtig, dass es diesen Tag am 25. November gebe, sagt, sie: "Sonst würden wir dieses Gespräch nicht führen." Sie nimmt sich Zeit, obwohl sie in einer Stunde schon wieder ein Beratungsgespräch hat.

Schleichender Prozess

Eine Infoplakette gegen häusliche Gewalt an einer orangenen Bank.

An den orangefarbenen Bänken befinden sich Infos zu Hilfsangeboten

"Gewalt fällt nicht von Himmel. Und niemand würde sich freiwillig mit einer gewalttätigen Person zusammentun", sagt sie. Dies sei fast immer ein schleichender Prozess. Es gebe vom Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW eine Liste mit Warnhinweisen, die sie mir anschließend schickt.

Die ersten Anzeichen

Ich lese die Liste später aufmerksam. Darin ist genau beschrieben, wann eine Beziehung zu kippen droht: Wenn ein Partner etwa ständig wissen will, was seine Partnerin unternimmt oder wenn er versucht, ihre Kontakte zu anderen Personen einzuschränken. Es kann auch sein, dass er einfach oft eifersüchtig reagiert. Manchmal quält der Partner gemeinsame Haustiere. Das alles seien erste Anzeichen für eine toxische Beziehung, haben die Frauenberatungsstellen NRW aufgelistet. Aber auch so genanntes Love-Bombing, das Überschütten der Partnerin mit Liebesbekenntnissen, kann der Beginn einer ungesunden Vereinnahmung sein.

Für alle Beispiele gibt es kleine Cartoons. Die Anzeichen für drohende Gewalt oder Übergriffe werden mir sehr bildhaft deutlich gemacht. Während ich mir die Bilder anschaue und mich in die Situationen reindenke, merke ich, dass mir ein wenig übel wird. Ich verstehe, dass man als Frau in Situationen in einer Beziehung geraten kann, die man zuvor nicht hat kommen sehen.

Angebote in Schulen

Junge Menschen, die erstmals eine Paarbeziehung eingingen, seien empfänglicher für Hinweise und Prävention. Darum gehen Diekmann und ihre Kolleginnen in Schulen und sprechen mit Jugendlichen. Sie zeigen ihnen, wie sie rechtzeitig eine Grenze setzen, sich schützen können. "Das ist eine freudvolle Arbeit, weil sie so sinnhaft ist", erzählt mir die Diplom-Sozialarbeiterin.

Ich unterbreche meine Recherche, gehe raus, um eine orangefarbene Bank zu fotografieren, aber auch, um Abstand zu gewinnen. Was ich eben gehört habe, beschäftigt mich sehr. Mir wird deutlich, wie schmal der Grat ist zwischen einem Streit und dem Beginn von Gewalt.

Mit dem QR-Code zu Hilfsangeboten

Bunte Sitzgelegenheiten stehen inzwischen in vielen Kommunen. Sie sind mehr als das. Sie sollen Aufmerksamkeit schaffen. Opfer von Gewalt können außerdem einen an der Bank angebrachten QR-Code scannen und gelangen so auf Internetseiten mit Hilfsangeboten.

Noch immer würden sich viele Frauen aus Scham nicht gegen Verletzungen wehren und zu spät eine Grenze setzen, sagt Maren Diekmann vom Frauenzentrum Troisdorf: "Wenn es Gewalt in einer Partnerschaft gegeben hat, ist es schwer, das wieder zum Guten zu wenden", sagt sie. Sie ist eine von fünf Beraterinnen, an die sich Mädchen ab 14 Jahren und Frauen wenden können, wenn sie Hilfe suchen.

Beratungsstelle Troisdorf: 218 Fälle von häuslicher Gewalt 2022

Ein Smartphone macht eine Kameraaufnahme von einer Infoplakette.

Mit dem Handy kann man einen QR-Code scannen und Links zu Hilfsangeboten bekommen

Diplom-Sozialarbeiterin Maren Diekmann und ihre Kolleginnen haben in 2022 in insgesamt 218 Fällen zu akuter häuslicher Gewalt beraten. "In 2023 haben wir bereits jetzt 238 Vorgänge", sagt sie. Wenn die Polizei zu Einsätzen häuslicher Gewalt gerufen wird und die Frauen damit einverstanden sind, melden die Beamten der Beratungsstelle den Vorfall. Die wenigstens Frauen kämen von selbst. Viel öfter gingen die Beraterinnen aktiv auf die Betroffenen zu, sagt Diekmann.

Inzwischen weiß ich längst, dass auch ich Frauen kenne, die betroffen sind. Wenn alle vier Minuten eine Frau in Deutschland Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner erlebt, wie das BKA beziffert, dann kennt vermutlich jeder von uns eine Betroffene. Bei 12 Millionen Frauen pro Jahr, Tendenz steigend, kann es nur Hilfe geben, wenn es auch ein Hinsehen gibt. Und das an jedem Tag im Jahr, hoffe ich.

Unsere Quellen:

  • Bundeskriminalamt
  • Frauenberatungsstellen NRW
  • Frauenberatungsstelle Troisdorf