Chaos bei Karnevalsauftakt in Köln

Stand: 12.11.2022, 08:47 Uhr

Rund um die Zülpicher Straße in Köln kam es zum Sessionsauftakt am 11.11. zu Riesengedränge. Ordnungskräfte und Zäune wurden überrannt. Das Sicherheitskonzept der Stadt funktionierte offenbar nicht wie geplant.

Der Karnevalsauftakt zum 11.11. hat im Feierviertel "Kwartier Latäng" zu einem Besucheransturm geführt, wie es ihn selten gegeben hat. Schon am Mittag hatte die Stadt alle Feiernden aufgerufen, sich nicht mehr auf den Weg ins Studentenviertel zu machen. Mehrere Bahnlinien wurden gestoppt. Am Abend gab die KVB bekannt, dass "wegen der überfüllten Feierzone" auf Anordnung der Polizei am Freitag keine Stadtbahnen mehr im Innenstadtbereich fahren würden.

Die Polizei musste im Laufe des Abends zusätzliche Hundertschaften anfordern, weil es zu Gewaltdelikten kam. In der Innenstadt wurde eine 27-Jähriger durch ein Messer verletzt, er konnte das Krankenhaus aber noch am Abend wieder verlassen.

11.11.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: 11.11.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Blick am Nachmittag auf die Zülpicher Straße

Menschenmengen auf der Zülpicher Straße

"Völlig neue Dimension" an der Zülpicher Straße

Zum Sicherheitskonzept der Stadt gehörten unter anderem Zäune entlang der beliebten Feiermeile Zülpicherstraße. Über Zugänge sollte der Zulauf gezielt gesteuert und begrenzt werden. Alle Feierwilligen, die nicht dort hinein kamen, stauten sich bald in den Nebenstraßen. Schon gegen 12 Uhr war der Druck aber offenbar bereits so groß gewesen, dass Ordnungskräfte und Zäune überrannt wurden. Spezialeinheiten der Polizei versuchten, die Zülpicher Straße zu sichern. Aber auch in den Nebenstraßen war es teilweise zu voll. Von Momenten wie diesen kursieren in den sozialen Medien verschiedene Videos. Autofahrer, die durch die nicht gesperrten Nebenstraßen fuhren, blieben häufig in den Menschenmengen stecken.

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Das Sicherheitskonzept habe nicht funktioniert, erklärte Andreas Hupke (Grüne), seit 2004 Bezirksbürgermeister der Kölner Innenstadt, im WDR-Interview. "Der Einlauf in die Zülpicher Straße ist völlig falsch gewählt, weil da dieses Nadelöhr der Eisenbahnunterführung ist. Wenn da die Sperren gebrochen worden wären, gar nicht auszudenken, was da hätte passieren können und was da sehr wahrscheinlich auch passiert wäre", so Hupke, der nach den Geschehnissen von einer "völlig neuen Dimension" sprach und auch generelle Kritik an den Feiernden übte:

"Das ist kein Karneval, das ist ein Massenbesäufnis und darüber muss in dieser Stadt offen diskutiert werden." Andreas Hupke (Grüne), Bezirksbürgermeister Köln Innenstadt

Oberbürgermeisterin Reker: "Wenn nichts schlimmes passiert, bin ich zufrieden"

Das Sicherheitskonzept der Stadt Köln war schon im Vorfeld als "Chaos mit Ansage" kritisiert worden. Sorgen der Wirte und Veranstalter habe die Stadt bei der Planung nicht berücksichtigt, hieß es. Zuvor hatte die Stadt Köln angekündigt, das Sicherheitskonzept habe das Ziel, "die Feiernden zu schützen und bestmöglich die Interessen der Anwohner*innen im Bereich der Karnevals-Hotspots zu wahren".

Am Nachmittag machte sich Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) vor Ort ein Bild von der Lage. Zu diesem Zeitpunkt standen bereits zehntausende feierwillige, vorwiegend junge Menschen außerhalb der Zäune rund um die überfüllte Zülpicher Straße. Es sei festzustellen, "dass zu viele Menschen auf zu kleinem Raum sind", räumte Reker ein. Das Sicherheitskonzept aber sei lange vorbereitet worden.

Feiernde Jugendliche

Nicht nur Andrang, auch gute Laune herrschte auf der Zülpicher Straße

"Man mag das jetzt schön finden, wie hier gefeiert wird, oder nicht", erklärte sie, "aber das tun eben die jungen Leute so". Die Stadt müsse die Rahmenbedingungen schaffen, "dass sie das in Sicherheit und Ordnung machen können". In kölschem Dialekt fügte Reker dann hinzu: "Wir brauchen niemanden, der uns erklärt, wie man Karneval feiert."

Wenn alles so weiter gehe "und nichts Schlimmes passiert, wovor ich ja immer Sorge habe, bin ich zufrieden". Man wolle aus den heutigen Erfahrungen "lernen, wie man es vielleicht besser machen kann".

Vorschläge der Gastronomie nicht umgesetzt

Im Vorfeld hatten die Gastronomen des Viertels die Stadt aufgefordert, eine Ersatzfläche zu schaffen, wo ein Programm für die vielen jungen Leute geboten würde. Das hatte die Stadt nicht umgesetzt. Es habe sich kein Veranstalter dafür gefunden, sagte Reker dazu. Wer eine gute Idee habe, "wie man diese Menschenströme so steuern kann, dass es völlig unproblematisch läuft, ist sehr herzlich willkommen".

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Auch Christoph Kuckelkorn, Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, war vor Ort. Die lange Feier-Abstinenz der Menschen mache sich bemerkbar, sagte er, "die Menschen haben Lust, draußen zu feiern". Aber es sei auch "schade, wenn die Menschen mit uns Kölnern feiern wollen und es keinen Platz gibt."

20.000 Menschen mehr als sonst

Während in anderen Jahren geschätzte 30.000 Menschen zum Sessionsauftakt in diesem Viertel feierten, seien heute rund 50.000 gekommen, sagte WDR-Reporter Hilgers, "das war absehbar". Wenn die Polizei an den Eingangsstellen nicht eingeschritten wäre, hätte es "zu dramatischen Szenen kommen können". Viele seien dann eben "ziellos durch die Stadt" gelaufen.

Dabei seien die allermeisten Feiernden friedlich unterwegs gewesen, so Hilgers' Zwischenfazit am frühen Abend. Gefährlich sei dagegen die drohende Enge gewesen, die die Stadt nicht zu verhindern gewusst habe.

Stadtdirektorin: "Da müsste man sich mal zusammensetzen"

Verantwortlich ist unter anderem Stadtdirektorin Andrea Blome, die gleichzeitig Dezentin für Sicherheit und Ordnung ist. In der WDR Lokalzeit aus Köln sagte sie am Abend, man habe sich "sehr bewusst" dagegen entschieden, weitere Feierflächen anzubieten - "in Ermangelung eines Veranstalters". Zu dem Vorschlag, um die Zülpicher Straße zu entzerren Bühnen mit Programme über die Stadt verteilt anzubieten, sagte Blome: "Dazu müsste man sich mal zusammensetzen."

Sie räumte zwar ein, dass es heute Probleme in dem Feierviertel gegeben habe, sagte aber auch: Um "das Ganze völlig neu aufzustellen für das Feierpublikum, das wir dort haben" müssten "auch andere mithelfen" - beispielsweise das Festkomitee.

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