Schwere Vorwürfe nach SEK-Einsatz in Köln

Stand: 26.07.2022, 17:55 Uhr

Wegen des Einsatzes bei einer Familie in Köln muss sich ein SEK jetzt auf eine Strafanzeige einstellen. Die Einsatzkräfte sollen sehr rabiat vorgegangen sein - auch gegen einen todkranken, bewusstlosen Mann.

Von Jochen Hilgers

Dass einer ihrer Söhne festgenommen wurde wegen Verdachts auf eine Gewalttat, das versteht die Kölner Familie Samsudarov. Warum dafür ein Spezialeinsatzkommando frühmorgens zwei Wohnungen aufbrechen und stürmen musste, dass will ihnen aber nicht in den Kopf.

Brutal niedergerungen und gefesselt wurde dabei nach ihren Angaben auch der 60-jährige Vater, der an einem unheilbaren Hirntumor erkrankt ist.

Sein Vater habe nur noch wenige Tage, wenn nicht wenige Stunden zu leben, sagt Sohn Malik. Der 23-jährige Student begleitet ihn liebevoll auf dessen letztem Weg. Ein Bruder von Malik war wegen einer Gewalttat in Hessen das eigentliche Ziel des SEK-Einsatzes.

Maskierte Polizisten stürmen Familienwohnung

Getroffen hat der die ganze Familie. Morgens um 6.15 Uhr drangen mehr als ein Dutzend maskierte und schwer bewaffnete Polizisten in die Wohnung ein. Brachten alle zu Boden. Er habe seinen Vater halb auf dem Sofa, halb auf dem Boden liegend gesehen. Dazu gefesselt. Einen todkranken Mann, sagt Malik fassungslos. Nicht nur wehrlos, sondern zu dem Zeitpunkt sogar bewusstlos.

Erinnerungen an Grosny

Die zersplitterte Tür nach dem Einsatz

Die Wohnungstür nach dem Einsatz

Bilder, die Malik Samsudarov nach dem Einsatz gemacht hat zeigen, wie rabiat die Beamten vorgingen. Auf der Suche nach Beweismaterial gegen den straffällig gewordenen Bruder stellten die SEK-Polizisten buchstäblich die ganze Wohnung auf den Kopf. Genauso rücksichtslos sollen sie gegen die übrigen Familienmitglieder vorgegangen sein.

Zwei Etagen höher wohnt die Tante der Samsudarovs. Auch hier sind die SEK-Beamten zeitgleich eingedrungen. Luiza Mazhieva hat in Grosny die zwei Tschetschenien-Kriege überstanden. Die Krankenschwester befindet sich jetzt nach den SEK-Einsatz in psychiatrischer Behandlung. Sie habe zuerst gedacht, die Russen seien wieder einmarschiert, sagt die Frau, die seit vielen Jahren im Krankenhaus Köln-Merheim arbeitet.

Anwalt legt Dienstaufsichtsbeschwerde ein

Malik Samsudarov sitzt am Bett seinen schwerkranken Vaters

Malik Samsudarov sitzt am Bett seinen schwerkranken Vaters

Den Einsatz in Köln wurde wegen des vermuteten Tatortes von der Polizeidirektion Mittelhessen verantwortet und nicht mit Kräften des Kölner SEK durchgeführt. In den Presseberichten der hessischen Behörde rund um den Einsatztag am 5. Juli findet sich nichts.  Eine WDR-Anfrage an die hessische Behörde wurde noch nicht beantwortet.

Der Anwalt der Samsudarovs, Björn Huppertz will jetzt Klarheit. Er hat bereits Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt und bereitet eine Strafanzeige vor.  Das SEK beschlagnahmte auch das Bargeld der Familie. Damit wollten die Samsudarovs eigentlich die Beerdigung ihres Vaters zahlen.