Neusser Bürger-Schützen-Verein: Sollen Frauen aktive Mitglieder werden?

Aktuelle Stunde 16.06.2024 27:53 Min. UT Verfügbar bis 16.06.2026 WDR

Neusser Bürgerschützen: Frauen dürfen aktive Mitglieder werden

Stand: 17.06.2024, 09:05 Uhr

Eine außerordentliche Mitgliederversammlung hat die Satzungsänderung am Sonntagabend beschlossen. Damit können Frauen bei den Neusser Bürgerschützen aktive Mitglieder werden. Eine kleine Revolution in dem männerdominierten Schützenverein.

Von Peter HildPeter Hild

Es war eine in weiten Teilen überraschend ruhige und sachliche Debatte unter den gut 500 anwesenden Mitgliedern am Sonntag in der Neusser Stadthalle. Am Ende stimmten knapp 83 Prozent dafür, dass Frauen ab dem kommenden Jahr nun auch aktive Vereinsmitglieder werden können.

Noch vor anderthalb Jahren hatten die Mitglieder eine Aufnahme von Frauen mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Seitdem hatte eine interne Satzungskommission rund ein Jahr lang an einem Kompromissvorschlag gearbeitet.

Den Traditionalisten Sorgen und Ängste nehmen

Eine Frau mit blonden haaren in einer Halle vor besetzten Stuhlreihen und einer Bühne

Schützenmitglied Constanze Stroeks

Constanze Stroeks zeigte sich nach der zweieinhalbstündigen Debatte froh und erleichtert über die Entscheidung. Sie war eine von zwei Frauen in der Kommission und ist seit Jahren eines der wenigen weiblichen passiven Mitglieder im Verein. "Es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, auch wenn er mir nicht weit genug geht", freute sie sich über die Entscheidung.

Auch Monika Baaken begrüßte das Ergebnis. Mit ihrer Interessengemeinschaft "Dornröskes" setzt sie sich seit Jahren für eine aktivere Rolle der Frauen beim Neusser Schützenfest ein. "Es ist ein Auftakt und ein kleines Revolutiönchen für Neuss, weil man lange nicht damit gerechnet hat." Mit der künftigen Mitgliedschaft könnten Frauen ihre Meinungen und Ideen einfach noch stärker einbringen.

Frauen dürfen weiterhin nicht schießen oder mitmarschieren

Frauen können mit der neu beschlossenen Satzung ab kommendem Jahr aktive Vereinsmitglieder mit Stimmrecht werden. Mitmarschieren bei den großen Paraden oder Schützenkönigin werden dürfen sie aber weiterhin nicht - vorerst. "Der Verein ist noch nicht so weit, alles auf einmal zu machen", so Stroeks. Man habe den Traditionalisten deutlich machen können, dass "ihr Fest" nicht in Gefahr ist, so wie sie es lieben.

Schwierige Kompromissfindung

"Am Anfang war es für beide Seiten sehr schwierig", berichtete Thomas Nickel, der die Satzungskommission geleitet hat. In Arbeitsgruppen habe man dann Kompromisswege ausgelotet. Die neue Satzung sei aber nun eine "Chance, weitere Entwicklungen bewusst zu sehen und Möglichkeiten zu schaffen, vielleicht auch erst in der nächsten Generation."

Dass der Wandel vielen Schützen nicht leicht fällt, zeigte eine Zwischenabstimmung. Ein Antrag, Frauen auch zu Regimentschützen zu machen, so dass sie auch mitmarschieren oder sich als Schützenkönigin bewerben dürften, wurde von 75 Prozent der Anwesenden abgelehnt.

Ein älterer Herr im Anzug vor Stuhlreihen in einer Halle

Schützenpräsident Martin Flecken

Schützenpräsident Martin Flecken zeigte sich sehr zufrieden mit dem Ergebnis. "Wenn man den Charakter des Festes von jetzt auf gleich verändern würde, würde es an Zustimmung und kulturellem Profil verlieren", betonte Flecken. Er wolle aber nun auch bei Frauen werben, Mitglied zu werden.

Schützenvereine als "gesellschaftlicher Kitt"

2019: Schützen durch Straße laufend, Zuschauende auf Tribüne

Neusser Königsparade

Die Schützenvereine in NRW spielen gerade im ländlichen Raum oft eine wichtige Rolle für das Heimat- und Gemeinschaftsgefühl. Insgesamt gibt es zwischen Rhein und Weser rund 2.000 Vereine mit insgesamt etwa 327.000 Mitgliedern.

Seit den 2010er Jahren haben sich viele Schützenvereine in NRW auch den gesellschaftlichen Entwicklungen nach und nach geöffnet. Es gibt inzwischen homosexuelle und muslimische Schützenkönige und Vereine mit marschierenden Damenzügen, wie etwa in Dormagen oder Neuss-Erfttal.

Der Bund Historischer Schützenbruderschaften hatte 2017 beschlossen, dass auch Muslime und Homosexuelle Schützenkönig werden können.

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Westfälischer Schützenbund
  • Sauerländer Schützenbund
  • Rheinischer Schützenbund