Wahrscheinlich verbindet jeder mit den kleinen gelben Häuschen eine Geschichte. Nun markiert der 30. Januar einen Schlussstrich - alle noch bestehenden Telefonzellen werden heute deaktiviert. Aufgrund der hohen Anzahl an Geräten dauere es bis zu 24 Stunden, bis sich jedes der 12.000 verbliebenen Geräte die Informationen im Zentralsystem abgeholt hat und außer Betrieb geht.
Die Nutzung der öffentlichen Telefonie sei zuletzt "gegen Null" gegangen, so die Telekom. An etwa jedem dritten öffentlichen Telefon sei im letzten Jahr kein einziges Gespräch geführt worden. "Im Schnitt macht ein öffentliches Telefon bei der Telekom nur noch wenige Euro Umsatz pro Monat", teilte das Unternehmen im Januar mit. Bereits im November hatte die Telekom die Münzzahlung deaktiviert. Seitdem konnten Nutzer nur noch mit Karte telefonieren.
Kein Nutzen mehr für Grundversorgung der Bevölkerung
Eine Verpflichtung zum Betrieb öffentlicher Telefone gibt es laut Telekom ohnehin nicht mehr. Grund dafür ist eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes Ende 2021. Der Gesetzgeber habe erkannt, "dass aufgrund der geringen Nutzung die öffentlichen Telefone nicht mehr zu einer Grundversorgung der Bevölkerung beitragen". Außerdem seien sie mit einem Verbrauch von 500 bis 1.250 Kilowattstunden ein Stromfresser, heißt es vom Bonner Konzern.
Erster "Fernsprechkiosk" vor 142 Jahren
Damit geht die Ära der Telefonzelle in Deutschland nach 142 Jahren zuende. Gestartet in Berlin mit dem ersten "Fernsprechkiosk" waren die Münztelefone jahrzehntelang ein wichtiger Ort für Millionen Menschen. "Mein Verlobter studierte in Essen, ich in Bonn", erinnert sich zum Beispiel Edith. Da sie kein eigenes Telefon hatte, ging sie jeden Abend in die nächste Telefonzelle, um ihren Liebsten anzurufen.
In heutigen Zeiten der Smartphones und Flatrates beim Telefonieren ist es kaum noch vorstellbar, wie teuer der Anruf aus der Telefonzelle war: "Ich habe nur von Knäckebrot und Kaffee gelebt, um jeden Abend fünf Mark fürs Telefonieren übrig zu haben", schmunzelt Edith. Auch Wolfgang aus Würselen ging oft in die Telefonzelle, denn "zu Hause waren keine privaten Gespräche möglich, meine Eltern haben immer mitgehört."
Eine Zelle für viele Gelegenheiten
In den Hochzeiten gab es allein rund 160.000 Telefone von der Bundespost (später Telekom) im Land. Und nicht immer wurde dort nur telefoniert. So erinnert sich Bernd an einen Ausflug mit Freunden nach Travemünde. Dort hatten sie ihr Gepäck am Bahnhof verstaut, der allerdings früher als gedacht schon geschlossen war: "Es regnete in Strömen, also sind wir mit einer Whisky-Flasche in eine Telefonzelle und haben dort übernachtet."
Taschengeld aus der Telefonzelle
Während normalerweise Geld in den Apparat geworfen wurde, kam so mancher auch mit Geld wieder heraus: "Wir haben dort unser Taschengeld aufgebessert", erinnert sich Freddy. Mit einem Draht hat er als Kind zusammen mit Freunden regelmäßig das Kleingeld aus den Ritzen im Boden gefischt, das den Telefonierenden aus der Hand gefallen war: "Da kam manchmal ganz schön was zusammen."
Und auch Werner hatte mal Glück. Er hatte Geld in den Fernsprechapparat geworfen, aber das fiel nicht durch. Vor Ärger habe er dann mit der Faust gegen den Kasten geschlagen, "dann fiel plötzlich 30 Euro Wechselgeld heraus." Nicole erinnert sich vor allem an "dicke Telefonbücher und die stinkenden Telefonhörer – ganz, ganz gruselig."
Auch wenn die Verbindung zum Zentralserver jetzt gekappt wird, verschwinden die Telefonzellen nicht sofort aus dem Stadtbild. Viele Häuschen dürften noch eine Weile stehen bleiben. Der Abbau der Telefonstellen soll laut Telekom "voraussichtlich Anfang 2025 abgeschlossen sein".
So manche alte Telefonzelle hat in der Vergangenheit schon einen neuen Zweck bekommen - als Bücherschrank, Eiskiosk oder sogar als Duschkabine. Werden die gelben Zellen immer noch bei Ebay gehandelt, ist ein Kauf bei der Telekom inzwischen nicht mehr möglich.
Aus einer alten Telefonzelle ist ein Bücherschrank geworden.
"Die gelben Zellen sind längst ausverkauft und für die Rest-Exemplare der grau-magenta-farbenen Variante gab es lange Wartelisten", heißt es bei der Telekom. Man könne nun keine neuen Interessenten mehr berücksichtigen.