Der Blick vom Drachenfels in Richtung Sueden bei einem Rheinpegel von ca. 90cm.

Mehr als ein Verkehrsweg: der Rhein und die Folgen des Niedrigwassers

Stand: 29.08.2022, 14:46 Uhr

Bei den Beratungen von Verkehrsminister Wissing mit Wirtschaftsverbänden über das Niedrigwasser am Rhein ging es vor allem um ökonomische Folgen. Doch der Rhein hat auch eine große Bedeutung für Ökologie und Gemeinwesen.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will die Schiffbarkeit des Rheins bei extremem Niedrigwasser verbessern. Politik, Behörden und Industrie hätten sich deshalb bei einem Spitzengespräch auf eine gemeinsame Beschleunigungskommission geeinigt, sagte er am Montag nach dem Treffen in Mainz.

Eine der Maßnahmen soll die Vertiefung der Fahrrinne zwischen St. Goar und Mainz sein, die von Umweltschützern kritisch gesehen wird. Bereits als rheinland-pfälzischer Verkehrsminister hat sich Wissing für die Vertiefung von 1,90 Metern auf durchgängig 2,10 Meter ausgesprochen. Weitere Maßnahmen sollen die staatliche Förderung von Schiffen mit geringerem Tiefgang sowie bessere Prognosen zum Pegelstand sein.

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Bei dem Spitzengespräch, an dem neben Wissing unter anderem Wirtschaftsvertreter wie der BASF-Manager Uwe Liebelt teilnahmen, ging es vorrangig um die ökonomischen Auswirkungen der niedrigen Pegelstände. Allerdings hat der Rhein auch in anderen Bereichen abseits der Wirtschaft wichtige Funktionen, die durch das Niedrigwasser gestört werden.

Artenvielfalt

Lachs im Rhein

Lachse im Rhein haben Platzprobleme

Mit sinkendem Rheinpegel steigt die Temperatur des Wassers, der Sauerstoffgehalt geht zurück. Die Folge: "Es sind wenig natürliche Rückzugsräume für Wasserlebewesen übrig", sagt Holger Sticht, Vorsitzender des BUND NRW. Gerade in NRW hat der Rhein ein besondere Bedeutung für teilweise streng geschützte Fische wie Lachse, Maifische, Flussneunaugen oder Groppen. Diese werden zum Teil mit millionenschweren Programmen wieder angesiedelt, finden aber derzeit immer weniger Laichplätze, Nahrungs- oder Ruhehabitate. Zudem droht laut BUND Gefahr für die Fische durch die Schifffahrt, wenn sie auf die Fahrrinne ausweichen müssen.

Trinkwasser

11 Prozent des Trinkwassers in NRW wird mittels Uferfiltrat gewonnen; das allermeiste davon am Rhein. Hierfür werden Brunnen in Nähe des Rheins angelegt, in denen Grundwasser und Flusswasser zusammenfließen. Je weniger Wasser der Rhein führt, desto höher wird der Anteil des Grundwassers am Mischwasser.

Das Problem: Oft ist das Grundwasser durch die Landwirtschaft stark nitratbelastet und wird durch das hinzugefügte Flusswasser verdünnt. Wenn der Anteil des Flusswassers sinkt, ist es möglich, dass an manchen Stellen die Nitratgrenzwerte die kritischen Marken überschreiten.

Naherholung und Sport

Ruderer auf dem Rhein bei Köln

Wassersport auf dem Rhein ist eingeschränkt

Der Rhein hat eine wichtige Funktion als Ort der Naherholung: Schwimmen soll man in ihm zwar nicht, aber für Wassersportler bietet er vielfältige Möglichkeiten, Kanus, Ruderboote, Segelboote, Jetskis oder andere Gefährte zu Wasser zu lassen - wenn denn die Pegel entsprechend hoch sind. Bei niedrigem Wasserstand bleibt oft nur noch die Möglichkeit, sich in Richtung Fahrrinne zu bewegen. Das ist allerdings gefährlich aufgrund der großen Frachtschiffe, die dort (noch) fahren.

Zudem ist der Rhein ein beliebtes Naherholungsgebiet: Man kann dort spazieren gehen, Rad fahren, wandern, campen, angeln oder sich einfach mit Freunden am Ufer treffen. Bei sinkenden Pegeln geht allerdings auch der Freizeitwert zurück: Am Ufer riecht es oft nicht gut, Flora und Fauna ziehen sich zurück; die Attraktivität sinkt, wenn man nicht mehr auf einen fließenden Strom blickt, sondern auf Steine, Schlick und Müll, den der Niedrigstand freigibt.

Gefahr durch Weltkriegswaffen und -munition

Ein weiteres Problem sind gefährliche Materalien wie Granaten, Bomben, Munition, die bei einem niedrigen Rheinpegel freigelegt werden. So wurden Mitte August in Mainz insgesamt 600 Kilogramm Waffen und Munition gefunden und durch den Kampfmittelräumdienst beseitigt. Auch in NRW gab es an verschiedenen Stellen entsprechende Funde. Die Stadtverwaltungen warnen daher, den unbefestigten Uferbereich des Flusses zu betreten.

Potenziell gefährliche Funde haben auch Einfluss auf den "RhineCleanUp", der am 10. September stattfinden soll. Bei der Aktion säubern Freiwillige an über 500 Stellen in ganz Deutschland den Rhein und sammeln am Ufer Müll und Unrat ein. Normalerweise geschieht das in Zusammenarbeit mit den Städten. Doch in Köln hat die Stadtverwaltung nun angekündigt, die Aufräumgruppen in diesem Jahr nicht zu unterstützen. Aufgrund der gefährlichen Situation würden keine Müllsäcke und Handschuhe ausgegeben, zudem soll der gesammelte Müll nicht von der AWB abgeholt werden.

Laut "RhineCleanUp"-Initiator Joachim Umbach ist die Stadt Köln die einzige mit solchen Bedenken. Auf die Säuberungsaktion sollen diese keinen Einfluss haben. "Wir haben die Gruppen instruiert, vorsichtig zu sein und beim Sammeln nicht zu weit in die Nähe des Wassers zu gehen", sagte er dem WDR. Angesichts steigender Pegel geht er allerdings davon aus, dass sich das Problem am 10. September eventuell ohnehin nicht mehr stellt.