Den Vorschlag äußerte Özdemir in einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgabe). Er habe "große Sympathien" für eine Steuersenkung, erklärte der Grünen-Politiker: "Das würde auch das Signal setzen, dass gesunde Ernährung günstiger ist. Gute Ernährung darf nicht am Geldbeutel scheitern."
Ganz neu ist die Idee nicht: Zum 1. Januar hat Spanien die Mehrwertsteuer für bestimmte Grundnahrungsmittel komplett gestrichen: zum Beispiel für Brot, Mehl, Milch, Käse, Eier, Obst und Gemüse. Die Steuerfreiheit soll vorerst sechs Monate lang gelten - von der Regelung ausgenommen sind Fleisch und Fisch.
Finanzministerium winkt ab
Noch stößt der Vorschlag im zuständigen Finanzressort auf wenig Gegenliebe: Es gebe keine Planungen, an der derzeitigen Systematik etwas zu verändern, teilte das von Christian Lindner (FDP) geführte Finanzministerium am Samstag mit.
Ob eine Streichung der Mehrwertsteuer für einige ausgewählte Grundnahrungsmittel die deutschen Verbraucher wirklich merklich entlasten würde, ist allerdings nicht sicher: Schon jetzt liegt der Steuersatz für Obst und Gemüse nur bei ermäßigten sieben Prozent. Gleichzeitig sind die Preise innerhalb eines Jahres um rund 20 Prozent gestiegen.
Beifall von Verbraucherschützern
Dennoch gab es am Samstag viel Beifall für die Initiative: Unterstützung kam zum Beispiel vom Sozialverband VdK und dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel könne "zumindest einen kleinen Beitrag zur Entlastung leisten und einen Anreiz für eine gesündere und nachhaltige Ernährung setzen", erklärte vzbv-Lebensmittelexpertin Christiane Seidel.
Hingegen sieht der Deutsche Bauernverband die Beschränkung auf Obst und Gemüse kritisch: "Unterschiedliche Steuersätze, um entsprechende Konsumgewohnheiten zu kontrollieren, das lehnen wir ab", sagte Präsident Joachim Rukwied. Sein Gegenvorschlag: Steuererleichterung für alle Lebensmittel.
Ernährungswissenschaftlerin: Mehr Lebensmittel fördern
Anne Cormann
"Der Vorschlag geht in die richtige Richtung", sagte die Stolberger Ernährungswissenschaftlerin Anne Cormann dem WDR am Samstag. Allerdings habe sie große Zweifel, dass Ernährungsgewohnheiten allein über den Preis verändert werden können. Besonders Hülsenfrüchte seien aus ernährungswissenschaftlicher Sicht zwar sehr empfehlenswert - aber nicht besonders populär. "Ich würde mir wünschen, dass es auf weitere Grundnahrungsmittel ausgeweitet wird."
Auch "klassische Sättigungsbeilagen" wie Nudeln und Reis und viele Milchprodukte gehörten zu einer gesunden Ernährung dazu, betont Cormann. Dass diese Lebensmittel grundsätzlich ungesund sind, wie in vielen modernen Ratgebern behauptet wird, sei einfach nur "Nonsens". Auch Fleisch könne in Maßen durchaus Teil einer gesunden Ernährung sein - bei guter Qualität und Zubereitung.
Praktisch aber problematisch: Convenience Food
Problematisch seien vor allem stark verarbeitete Lebensmittel, also das sogenannte Convenience Food. Diese industriell gefertigten Produkte enthielten oft sehr viel Salz, Zucker und Fett. "Aus ernährungsphysiologischer Sicht wäre es gut, wenn diese Produkte teurer würden. Und im Gegenzug unverarbeitete Lebensmittel billiger", so Cormann.