Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) wird neuer Verteidigungsminister. Bundeskanzler Olaf Scholz hat den niedersächsischen Innenminister Pistorius am Dienstagmittag offiziell als Nachfolger von Christine Lambrecht bekannt gegeben. Olaf Scholz hat das unter anderem mit dessen Regierungserfahrung begründet, Pistorius habe die Ruhe und die Kraft für die Aufgabe.
Pistorius selbst erklärte, er wolle die Soldatinnnen und Soldaten bei der Modernisierung der Bundeswehr "ganz eng" mitnehmen. Er kündigte an, die Bundeswehr stark zu machen - auch wenn die Aufgaben, die vor der Truppe lägen, gewaltig seien.
"Besetzung aus der B-Mannschaft"
Die ersten Reaktionen auf die Entscheidung sind geteilt. Finanzminister Christian Lindner hat Pistorius zu seinem neuen Amt als Verteidigungsminister gratuliert. In einem Tweet sprach der FDP-Chef von seinem "neuen Kabinettskollegen Boris Pistorius". Auch der Präsident des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr, Patrick Sensburg, hat die Personalentscheidung begrüßt. Pistorius sei "ein erfahrender Innenminister und kennt Menschenführung", sagte Sensburg der "Rheinischen Post".
Aus der Union kommt hingegen Kritik an der Entscheidung. "Der Bundeskanzler zeigt damit, dass er seine eigene Zeitenwende nicht ernst nimmt", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul (CDU). "Erneut spielen Sachkompetenz und Erfahrung mit der Bundeswehr keine Rolle." Bei der Personalie handle es sich um eine "Besetzung aus der B-Mannschaft".
Schlagfertig, aber nicht respektlos
Pistorius gilt als erfahrener Polit-Manager. Im Kreis der Innenminister von Bund und Ländern hat sich Pistorius in den vergangenen Jahren einen Ruf als kenntnisreicher Fachpolitiker erworben. Auch wenn er stets in Niedersachsen blieb, war er auch an der innenpolitischen Positionierung der Bundes-SPD in Wahlkämpfen und an Koalitionsverhandlungen beteiligt.
Bei den Innenministerkonferenzen machte es dem als pragmatisch geltenden Pistorius immer sichtlich Freude, sich mit Konservativen wie dem früheren Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf offener Bühne zu streiten, schlagfertig, mit spitzen Bemerkungen, aber nie respektlos.
Pistorius wurden immer wieder Ambitionen für ein politisches Amt auf Bundesebene nachgesagt. Es gab beispielsweise Gerüchte, er könnte Bundesinnenminister werden, sofern Nancy Faeser bei der Landtagswahl in Hessen als Spitzenkandidatin für die SPD antritt.
Hat Wehrdienst geleistet
Pistorius absolvierte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann. Von 1980 bis 1981 absolvierte er seinen Wehrdienst, anschließend studierte er Rechtswissenschaften in Osnabrück und Münster.
Pistorius ist bereits seit 2013 Innenminister in Niedersachsen, vor wenigen Monaten begann seine dritte Amtszeit. Zuvor war er von 2006 bis 2013 Oberbürgermeister in Osnabrück. Pistorius ist verwitwet und hat zwei Töchter.
Keine Parität bei den Ministerposten
Mit der Entscheidung für Pistorius hebelt Scholz seinen eigenen Anspruch aus, seine Ministerriege paritätisch zu besetzen. Bisher waren es acht Männer und acht Frauen, nun werden es neun Männer und sieben Frauen sein - der Kanzler selbst nicht mitgezählt.
Auf Pistorius kommt nun ein Kaltstart im Ministerium zu, bereits am Donnerstag muss er US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Berlin begrüßen.
Lambrecht seit Monaten in der Kritik
Bereits am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Die 57-Jährige steht seit Monaten in der Kritik, die oppositionelle Union aus CDU und CSU hatte wiederholt ihren Rücktritt gefordert.
Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr oder fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen. Jüngst sorgte sie für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.