Nach dem Rücktritt von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) soll die Entscheidung über ihre Nachfolge nach Angaben ihres Partei- und Kabinettskollegen Hubertus Heil am Dienstag verkündet werden. Kanzler Olaf Scholz werde die Personalentscheidung "schnell, nämlich morgen" bekanntgeben, sagte der Bundesarbeitsminister am Montagabend in der ARD.
Befragt zu eigenen Ambitionen sagte der SPD-Politiker in der ARD-Sendung "Hart aber fair": "Ich bin Bundesarbeitsminister und habe viel vor - und zwar in dem Amt." Als weitere mögliche Anwärter für die Nachfolge im Gespräch waren bisher SPD-Chef Lars Klingbeil, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und die Wehrbeauftragte Eva Högl sowie die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller.
General als Nachfolger?
Im ARD-"Morgenmagazin" betonte Korrespondent Michael Strempel am Dienstag, dass man sich noch immer im Stadium der Spekulationen befinde. "Da tauchen schon noch neue Namen auf, aber es gibt keine wirklich guten belastbaren Quellen." Genannt wurde demnach auch der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius.
"Interessanter war die Überlegung, dass es auch mal jemand aus der Bundeswehr selbst sein könnte", berichtete Strempel. Da sei der General Carsten Breuer genannt worden, der für Kanzler Scholz die Corona-Taskforce managte. "Das wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik." Es habe noch nie ein aktiver Militär an die Spitze des Verteidigungsministeriums gewechselt.
Abgang nach gut einem Jahr
Nach nur 13 Monaten im Amt hatte Verteidigungsministerin Lambrecht am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. "Die monatelange mediale Fokussierung auf meine Person lässt eine sachliche Berichterstattung und Diskussion über die Soldatinnen und Soldaten, die Bundeswehr und sicherheitspolitische Weichenstellungen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Deutschlands kaum zu", so Lambrecht.
"Die wertvolle Arbeit der Soldatinnen und Soldaten und der vielen motivierten Menschen im Geschäftsbereich muss im Vordergrund stehen. Ich habe mich deshalb entschieden, mein Amt zur Verfügung zu stellen." Sie danke allen, "die sich jeden Tag für unsere Sicherheit engagieren und wünsche ihnen von Herzen alles erdenklich Gute für die Zukunft."
Seit Monaten in der Kritik
Bereits am Freitagabend hatten mehrere Medien übereinstimmend berichtet, Lambrecht stehe vor einem Rückzug von ihrem Ministerposten. Die 57-Jährige steht seit Monaten in der Kritik, die oppositionelle Union aus CDU und CSU hatte wiederholt ihren Rücktritt gefordert.
Kritiker warfen ihr etwa die schleppend angelaufene Beschaffung für die Bundeswehr oder fehlende Sachkenntnis, aber auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit vor. So machte ein Foto ihres Sohnes auf Mitreise in einem Bundeswehrhubschrauber Negativschlagzeilen. Jüngst sorgte sie für Irritationen mit einer auf Instagram verbreiteten Neujahrsbotschaft, in der sie begleitet von Silvesterfeuerwerk über den Ukraine-Krieg sprach.
Damit muss nun ein zentraler Posten im Ampel-Kabinett von Bundeskanzler Olaf Scholz neu besetzt werden. Das Verteidigungsministerium ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zusätzlich in den Fokus gerückt. Deutschland hatte als Reaktion ein 100-Milliarden-Euro-Programm aufgelegt, um die Bundeswehr besser auszurüsten.
Größerer Kabinetts-Umbau nötig?
Sollte ein Mann auf Lambrecht folgen, müsste Kanzler Scholz möglicherweise sein Kabinett weiter umbauen. Denn bisher setzt er darauf, dass in seiner Regierung gleich viele Männer und Frauen einen Ministerposten haben. Wie die "Bild" erfahren haben will, soll das bei der Besetzung des Verteidigungsministeriums aber nicht länger gelten. Das ist bisher jedoch nicht bestätigt.
Scholz verteidigte Lambrecht bis zuletzt
Bei der Unterstützung der Ukraine spielt das Verteidigungsministerium eine wichtige Rolle. Mitte Dezember hatte Scholz seine Verteidigungsministerin noch gegen Kritik in Schutz genommen. "Die Bundeswehr hat eine erstklassige Verteidigungsministerin", sagte er damals der "Süddeutschen Zeitung". "Über manche Kritik kann ich mich nur wundern."
Nach Lambrechts Rücktritt sagte der Kanzler, er habe viele Jahre gut und gerne mit Lambrecht zusammengearbeitet. Er habe hohen Respekt für ihre Entscheidung.
Lambrecht hatte mit dem Start der Ampel-Regierung Ende 2021 das Verteidigungsministerium übernommen. Zuvor war sie im letzten Kabinett von Angela Merkel Justizministerin gewesen, nach dem Rücktritt von Franziska Giffey hatte sie zusätzlich das Familienministerium geführt.
Erst Anne Spiegel, jetzt Christine Lambrecht
Lambrecht ist bereits die zweite Ministerin, die seit dem Start der Ampel-Regierung ihr Amt wieder abgibt. Im vergangenen Jahr war die Grünen-Politikerin Anne Spiegel als Familienministerin zurückgetreten - wegen ihrer Rolle als rheinland-pfälzische Umweltministerin während der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021.
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 16.01.2023 auf verschiedenen Kanälen im Hörfunk und Fernsehen, auch bei WDR aktuell 12.45 Uhr.