Deutsche Schüler:innen bei PISA-Test schlecht wie nie

WDR aktuell 05.12.2023 Verfügbar bis 05.12.2025 WDR Von Udo Müller

Neue PISA-Studie: Deutsche Schüler stürzen ab

Stand: 05.12.2023, 15:04 Uhr

In Berlin und Paris wurden heute die neuen PISA-Ergebnisse vorgestellt. Die neuen Ergebnisse der internationalen Schulleistungsstudie der OECD zeigen: In Mathe, in den Naturwissenschaften und beim Lesen rutschen die deutschen Schülerinnen und Schüler deutlich nach unten.

Von Britta Mersch und Sabine Tenta

Deutschland stürzt ab. So lassen sich die Ergebnisse der neuen PISA-Studie zusammenfassen. Mit 475 Punkten landet Deutschland bei den mathematischen Kompetenzen im Mittelfeld - dieses Mal Schwerpunkt der Studie - und damit weit hinter Singapur (575 Punkte), Japan (536 Punkte) und Korea (527 Punkte), die bei der internationalen Vergleichsstudie am besten abgeschnitten haben. Estland (510 Punkte) und die Schweiz (508 Punkte) können im internationalen Leistungsvergleich ebenfalls überzeugen.

Für Deutschland sind die Ergebnisse alarmierend, weil sie einen deutlichen Abwärtstrend zeigen. Zwischen der ersten Veröffentlichung im Jahr 2001 (mit Daten aus dem Jahr 2000) – bei der deutsche Schülerinnen und Schüler unterdurchschnittlich abgeschnitten haben - und der PISA-Studie 2012 haben die mathematischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler deutlich zugenommen.

Ergebnisse schlechter als bei erster PISA-Erhebung

Doch dieser Trend ist seit 2015 rückläufig. Bei den mathematischen Kompetenzen landen die deutschen Schülerinnen und Schüler unter dem Wert von 2003, als Mathematik zum ersten Mal im Zentrum der Erhebung stand. Insgesamt sind die Ergebnisse schlechter als bei der ersten PISA-Erhebung aus dem Jahr 2000.

Die PISA-Studie kommt alle drei Jahre heraus. Wegen der Corona-Pandemie gab es dieses Mal ein Jahr Verzögerung. Rund 690.000 Schülerinnen und Schüler weltweit wurden getestet. 81 Staaten weltweit nahmen teil. In Deutschland haben insgesamt 6116 Schülerinnen und Schüler, die zwischen dem 1. Januar 2006 und dem 31. Dezember 2006 geboren sind, an den computerbasierten Testungen teilgenommen.

Mehr leistungsschwache Schüler

Auch in den anderen Leistungsgruppen können die deutschen Schülerinnen und Schüler nicht überzeugen. In den Naturwissenschaften landet Deutschland mit 492 Punkten knapp über dem OECD-Durchschnitt (485 Punkte). Bei der Lesekompetenz schaffen wir es mit 480 Punkten nicht aus dem OECD-Mittelfeld heraus (der Durchschnitt liegt bei 476 Punkten). Auch hier lässt sich in beiden Fächern ein deutlicher Negativtrend beobachten.

Alarmierend ist vor allem die Gruppe der leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler, die mit 30 Prozent sehr hoch ist (der OECD-Durchschnitt liegt bei 31 Prozent) und die in Deutschland im Vergleich zu 2018 um 8 Prozentpunkte zugenommen hat, im Vergleich zu 2012 sogar um 12 Prozentpunkte. Die leistungsschwachen Schülerinnen und Schüler haben Probleme, einfache Aufgaben zu lösen.

Sie haben ein hohes Risiko, durchs Raster zu fallen, also sich beruflich nicht etablieren zu können. Gleichzeitig ist die Zahl der leistungsstarken Schüler auf 9 Prozent geschrumpft. 2018 waren es noch 13 Prozent, 2012 17 Prozent. Die Leistungskurve geht in Deutschland also insgesamt deutlich nach unten.

Deutschland ist auch immer noch ein Land mit stark ungerecht verteilten Bildungschancen. Die PISA-Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen der finanziellen Situation der Eltern und dem Bildungserfolg der Kinder. Auch die Zuwanderungsgeschichte scheint eine Rolle zu spielen.
Zugewanderte Jugendliche der ersten Generation zeigen mit 399 Punkten eine besonders geringe mathematische Kompetenz. Außerdem besuchen Jugendliche mit Zuwanderungsgeschichte seltener ein Gymnasium.

Schlechter Mathe-Unterricht als Ursache?

Die aktuelle PISA-Studie zeigt, dass weltweit die Leistungen im OECD-Raum zurückgehen – in Mathematik um 15 Punkte und bei der Lesekompetenz um 10 Punkte – das entspricht einem Lernfortschritt von einem dreiviertel Schuljahr in Mathematik. Die Corona-Pandemie kann zum Teil für diesen Leistungsrückgang verantwortlich sein. Allerdings gab es schon vor der Pandemie einen Dämpfer.

Zumindest für Deutschland wird auch der Unterricht für das schlechte Abschneiden verantwortlich gemacht. Viele Jugendliche geben an, dass sie den Mathe-Unterricht langweilig finden oder sie im Unterricht müde sind. Offenbar fehlt die Motivation für das Fach, was nicht nur an den Inhalten liegt, sondern auch an den Lehrkräften, die oft auf klassische Berechnungen setzen statt auf kreative Anwendungs-Aufgaben. Außerdem fehlt vielen deutschen Schülerinnen und Schülern die Unterstützung durch die Lehrkräfte.

NRW-Schulministerin Feller: Ergebnisse nicht überraschend

Für die Landes-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) sind die Ergebnisse der PISA-Studie nicht überraschend, wie sie am Dienstag in Düsseldorf sagte. Denn im gleichen Erhebungszeitraum sei ja auch die IQB-Studie erstellt worden, die ähnliche Defizite aufgezeigt habe. Die Corona-Pandemie habe großen Einfluss auf die Leistungen gehabt. Im Vergleich zu anderen Ländern seien in Deutschland die Schulen länger geschlossen gewesen. Doch Feller ergänzte sogleich: "Das ist keine Ausrede, wir müssen uns um die Basiskompetenzen kümmern."

Die Basiskompetenzen seien Lesen, Schreiben, Rechnen, wobei das Lesen am wichtigsten sei: "Wenn Sie nicht lesen können, können Sie auch nicht rechnen und die Aufgaben verstehen." Schülerinnen und Schülern falle es dann nämlich oft schwer, ein Verständnis für Zahlen zu entwickeln. Darum werde sich die NRW-Landesregierung weiterhin auf die Förderung der Basiskompetenzen konzentrieren.

Die aktuelle PISA-Studie habe zudem gezeigt, "dass Kinder mit Migrationshintergrund in Teilen besonders schlecht abschneiden", betonte Feller. Das zeige "vor welcher großen Herausforderung wir auch hier in NRW sind", zurzeit seien ungefähr 100.000 Flüchtlingskinder in den Schulen in NRW. "Das ist eine Riesenaufgabe, die unsere Schulen hier leisten", so Feller. Sie hofft darauf, dass das Startchancen-Programm des Bundes, das Fördermittel für Schulen mit sozial benachteiligten Schülerinnen und Schülern vorsieht, im kommenden Jahr für Entlastung sorgt.

Die Ministerin dämpfte aber auch Erwartungen an eine schnelle Änderung der Lage: "Gehen Sie nicht davon aus, dass wir in der nächsten Studie besser sind, das geht nicht so schnell. Wir brauchen einen langen Atem." Andere Bundesländer hätten für signifikante Verbesserungen mitunter zehn bis zwölf Jahre gebraucht.

Über dieses Thema berichtet der WDR am 5.12.2023 unter anderem auch in den WDR-Hörfunknachrichten WDR aktuell auf WDR 2 und WDR 5 ab 11 Uhr.

Unsere Quellen:

  • PISA-Studie 2023
  • Statement von Schulministerin Feller in Düsseldorf