So sollen in NRW Waldbrände verhindert werden
Stand: 09.08.2022, 14:04 Uhr
Die Wälder brennen - nicht nur in Ostdeutschland, auch in NRW. Jahrelange Dürre und der Borkenkäfer haben die Bäume schutzlos gemacht. Die Landesregierung hat nun ein Konzept zur Vorbeugung von Waldbränden vorgestellt.
Von Nina Magoley
Seit vielen Tagen kämpfen Feuerwehrleute gegen riesige Waldbrände in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Verheerende Waldbrände wie in Ostdeutschland können auch NRW treffen. Im Juli brannte tagelang der Wald bei Altena. Erst am Montag loderten Flammen bei Plettenberg im Sauerland. Bislang sind dort 30.000 Quadratmeter Wald zerstört. Die Feuerwehr geht davon aus, dass Funkenflug den knochentrockenen Wald in Flammen gesetzt hatte.
Die Wälder sind ausgetrocknet und geschwächt: Seit Beginn der großen Trockenheit 2017 vernichteten Feuer in NRW rund 160 Hektar Wald - das sind 1,6 Millionen Quadratmeter. Die Gefahr nehme weiter zu, sagt das Landwirtschaftsministerium. Helfen soll dagegen ein neues Konzept zur "Waldbrandvorbeugung und Waldbrandbekämpfung in Nordrhein-Westfalen". Im Wald bei Wermelskirchen stellten Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) den Plan am Dienstag vor. Ziel sei, Wälder in Zukunft besser gegen Brände aufzustellen und gleichzeitig Forstbetriebe und Feuerwehren enger zu vernetzen.
"Auf unseren Wald achtgeben"
Der Wald sei "Klimaschützer Nummer Eins in Nordrhein-Westfalen", sagte Landwirtschaftsministerin Gorißen. Er sei lebenswichtiger CO2-Speicher, Ort der Erholung und liefere zudem den wertvollen Rohstoff Holz. "Niemals zuvor war es wichtiger, auf unseren Wald Acht zu geben", erklärte die Ministerin.
Das neue Konzept gebe "die richtigen Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels" und helfe, "schneller reagieren zu können, wenn der Notfall eintritt". Innenminister Reul ergänzte, das mehr als 60 Seiten lange Papier enthalte eine Checkliste, die den Feuerwehren und den Zuständigen beim Landesbetrieb Wald und Holz dabei helfe, eine Gefahrenanalyse der Wälder vorzunehmen. "Es wird also geschaut, wie sich die Feuerwehr vor Ort personell und materiell aufstellen muss."
Das sind die wichtigsten Punkte des Waldbrandvorbeugekonzepts:
- "Waldbrandschutzstreifen" aus schwerer entflammbaren Bäumen, beispielsweise Eichen oder Buchen, sollen eine Ausbreitung von Feuern verlangsamen.
- Künstlich angelegte Löschteiche werden dort weiter ausgebaut, wo kein Löschwasser aus Talsperren, Seen oder Flüssen zur Verfügung steht.
- Waldwege werden als Zufahrten für die Feuerwehr so gerüstet, dass auch hohe und breite Einsatzfahrzeuge gut durchkommen. Auch Ausweichbuchten gehören dazu.
- In regelmäßigen Übungen sollen Forstmitarbeitende und Feuerwehren Extremsituationen wie einen Waldbrand gemeinsam üben.
- Digitale Kameras sollen zum Beispiel Rauchsäulen zuverlässig anzeigen.
- Eine Checkliste zur Bestimmung des Waldbrandrisikos.
Die 20-seitige "Checkliste zur Bestimmung des Risikos von und bei Waldbränden" soll Feuerwehren, Forstbetrieben und Kommunen helfen bei der Planung ihres Brandschutzes, aber auch beim Handeln im konkreten Brandfall. Entlang eines "Ampelsystems" kann der Ist-Zustand eines Waldes ermittelt und daraus eine Gefahrenanalyse erstellt werden. Dann lässt sich genauer festlegen, welche Brandschutzmaßnahmen und Ausstattung in einer Waldregion gebraucht werden. Im unmittelbaren Notfall könnten die Einsatzkräfte mittels dieser Checkliste ihr Vorgehen präziser planen.
Die Grüne Landtagsfraktion begrüßte am Dienstag das vorgestellte Konzept - und erinnerte daran, dass die Grünen das Thema Waldbrandprävention und -bekämpfung schon 2020 beantragt hätten. Ein daraus entstandener Entschließungsantrag habe nun "offenbar" zu dem vorliegenden Konzept geführt, bemerkte Fraktionschefin Verena Schäffer. Bei der Umsetzung müssten nun aber auch "die Akteure des Naturschutzes" eingebunden werden.
Mehr als die Hälfte des Waldes in Privatbesitz
Die Umsetzung des Waldbrandvorbeugekonzepts hänge von denen ab, die den Wald besitzen, erklärten dazu die beiden Ministerien am Dienstag. Rund 65 Prozent des Waldes in Nordrhein-Westfalen befindet sich aber in Privatbesitz - so viel wie in keinem anderen Bundesland. Laut Waldbrandstatistik 2021 brachen 70 der insgesamt 79 gezählten Waldbrände in NRW in dem Jahr in privat bewirtschafteten Wäldern aus.
Für Brandvorbeugung und Kontrolle gaben die Forstverwaltungen laut Waldbrandstatistik im Jahr 2021 rund 340.000 Euro aus, die privaten und sonstigen Waldbesitzer dagegen nur 3.000 Euro. In NRW könne die Landesregierung aber auch private Waldbesitzer dazu verpflichten, Schutzmaßnahmen gegen Waldbrände vorzunehmen, sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums auf Nachfrage. Rechtliche Grundlage dafür sei das Landesforstgesetz. Darin heißt es allerdings auch: "Die Kosten trägt das Land."
BUND: Waldbauern wirtschaften eher nach Rendite
Pflanzen können private Waldbesitzer ohnehin, was sie wollen - im Zweifel das, was ihnen beim Handel mit Holz am lukrativsten erscheint. Die Landesregierung hat dabei bislang nur ein Druckmittel: Wer Fördergelder zur Aufforstung bekommen will, muss sich an das Waldbaukonzept und die Vorgaben zur Mischung von Laub- und Nadelholz halten.
Naturschutzverbände wie der BUND kritisieren, dass Waldbauern ihre Wälder noch immer eher unter dem Aspekt der besten Vermarktung als im Sinne des Natur- und Klimaschutzes bewirtschaften würden. So wäre von Natur aus nur ein Prozent der Landesfläche mit reinem Nadelwald bedeckt, erklärt der BUND. 67 Prozent der natürlich wachsenden Bäume wären Buchen, 21 Prozent Eichen - also weniger schnell entflammbare Bäume. Jahrelang angepflanzt wurden statt dessen aber vornehmlich Fichten und andere Nadelbäume.
Ursache ist meist der Mensch
Laut Waldbrandstatistik 2021 entstehen die meisten Waldbrände in NRW durch Menschenhand - unbeabsichtigt nach fahrlässigem Umgang mit Feuer, aber in Einzelfällen auch durch gezielte Brandstiftung. Nur 1,3 Prozent der Waldbrände hatten 2021 natürliche Ursachen, wie Blitzeinschlag.
Sturmgeschädigter Wald im Sauerland
Auch der verheerende Waldbrand in Gummersbach im April 2020 sei auf menschliches Verhalten zurückzuführen, so das Ministerium. Die Voraussetzungen aber hätten die klimatischen Bedingungen geliefert: wochenlange hohe Temperaturen, eine Hochdruckwetterlage mit stetem Ostwind, nicht ausreichend aufgefüllte Bodenwasserspeicher. Ein Szenario, das sich so jederzeit wiederholen kann.
In NRW kommt hinzu: Seit dem Sturm Friederike im Januar 2018 liegen tausende borkenkäfergeschädigte Bäume in den Wäldern, durch die Dürrejahre 2018, 2019 und 2020 kamen noch unzählige abgestorbene Fichten und Laubbäume dazu. Dieser "trockene Schlagabraum", der zurzeit das Bild in vielen Wäldern hierzulande prägt, brennt bei Feuer ganz schnell lichterloh.
In einer aktuellen Tabelle gibt der Deutsche Wetterdienst regelmäßig die Waldbrandgefahr für einzelne Regionen NRWs an: