Bunder-Länder-Gipfel: Wie die Kommunen mit dem Ergebnis umgehen
Aktuelle Stunde. 07.11.2023. UT. Verfügbar bis 07.11.2025. WDR. Von Thomas Kramer.
Nach Einigung zu Geflüchteten: Viel Kritik und neue Forderungen
Stand: 07.11.2023, 17:43 Uhr
Das Land müsse nun mit einem Hilfsprogramm reagieren, fordert die SPD. Ein Bürgermeister mahnt Klarheit beim Thema Finanzen an. Ministerpräsident Wüst (CDU) zeigt sich unzufrieden mit den Beschlüssen.
Von Martin Teigeler
Die SPD in NRW fordert von der Landesregierung nach dem Bund-Länder-Deal zur Migrationspolitik konkrete Taten. Schwarz-Grün müsse versuchen, die Kommunen "jetzt mit eigenen Impulsen zu unterstützen", sagte die NRW-SPD-Co-Vorsitzende Sarah Philipp am Dienstag der dpa. Die nächtlichen Beschlüsse von Bund und Ländern hätten "das Potenzial" zu einem Entlastungspaket für Städte, Gemeinden und Kreise.
Wüst unzufrieden
Die Beschlüsse seien "ein erster Schritt", sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), aber kein "großer Wurf". Wüst forderte weitere Maßnahmen wie die Missbrauchsbekämpfung bei Asylanträgen sowie beschleunigte Asylverfahren und Abschiebungen.
Auch für Asylverfahren in Drittstaaten sprach er sich aus - dazu gibt es bisher nur einen Prüfauftrag. "Es gibt die ersten Verabredungen und Versuche das auch rechtssicher hinzukriegen", sagte Wüst dem WDR am Dienstagabend. Das Verfahren über Drittstaaten sei nicht einfach, jedoch gehe es ihm bei dieser Lösung darum, Menschen davon abzuhalten, sich überhaupt auf den Weg nach Deutschland zu begeben. Bei der Pressekonferenz mit dem Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, forderte Wüst zudem einen umfassenderen Pakt zur Migration. Merz zeigte sich skeptisch, ob man zu weiteren Vereinbarungen mit der Bundesregierung kommen könne. Er sei aber gesprächsbereit.
SPD fassungslos über Wüst
Jochen Ott, SPD-Fraktionschef im Landtag, zeigte sich "fassungslos" über Wüsts Verhalten. Der Ministerpräsident habe die Länderrunde mit immer neuen Forderungen "fast gecrasht". Ott kritisierte auch, dass Wüst dem Kompromiss erst zustimmte und dann wieder auf Distanz ging. "Ich weiß nicht, was ihn da reitet", sagte Ott. "Gedöns und Gefeilsche" sollten ein Ende haben. Das Land müsse jetzt handeln und dafür sorgen, dass die vereinbarten Gelder auch bei den Kommunen ankommen.
Wolfgang Pieper (Grüne) ist Bürgermeister von Telgte
Wolfgang Pieper, Grünen-Bürgermeister von Telgte, sagte im WDR, das Asylrecht sei ein Grundrecht. "Das heißt, wir müssen immer wieder schauen, dass sich alle Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden, im Rahmen unseres Grundgesetzes bewegen." Die Einigung in der Nacht sei "ein ganz, ganz wichtiger Schritt". Er forderte weniger aufgeregte öffentliche Debatte zu Asylfragen.
Der Kommunalpolitiker lobte auch das ab 2024 geplante "atmende System" zur Finanzierung für die Kommunen. Der Vereinbarung zufolge soll der Bund künftig jährlich pauschal 7.500 Euro pro Flüchtling zahlen. Die Bundesländer hatten 10.500 Euro gefordert. Wüst bezeichnete den Finanzkompromiss als "ernüchternd".
Wo kommt das Geld an?
Er könne aber "noch gar nicht einschätzen, wie das Land Nordrhein-Westfalen mit diesen zusätzlichen Mitteln umgehen wird", sagte Pieper: "Was davon bleibt beim Land? Was davon bleibt bei den Kreisen, den Ausländerbehörden und welcher Anteil dieser Summe entlastet uns im kommunalen Haushalt der Stadt Telgte dann zum Schluss tatsächlich?"
Land macht Zusage
Gegenüber dem WDR sagte Wüst für das Land Nordrhein-Westfalen zu, die Pauschale von 7.500 pro Flüchtling zur Finanzierung der bestehenden Leistungen komplett an die Kommunen weiterzugeben. "Und noch mehr als das. Wir werden auch im nächsten Jahr mehr an die Kommunen weiterreichen, als wir vom Bund bekommen." Das Land werde von den Finanzmitteln somit nichts behalten.
Die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatten sich nach einer Nachtsitzung am frühen Dienstagmorgen über die Aufteilung der Flüchtlingskosten geeinigt. Auch wurden Maßnahmen zur Verringerung der irregulären Migration nach Deutschland vereinbart. Die Einigung sieht eine Systemumstellung bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten vor, auch sollen die Leistungen für Asylbewerber gekürzt werden.
Grünen-Kritik an Leistungskürzungen für Asylbewerber
Verena Schäffer, Landtags-Fraktionschefin der mitregierenden Grünen, begrüßte die finanziellen Entlastungen für Kommunen. Die Leistungskürzungen für Asylbewerber sehe sie wegen des verfassungsrechtlich gebotenen Existenzminimums "kritisch". Schäffer: "Geflüchteten wird die Integration erschwert, wenn ihnen das Geld zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben fehlt."
Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW lehnt die Bund-Länder-Beschlüsse zu Asyl und Flucht strikt ab: "Es wird ausschließlich auf Restriktion, Abschottung und Ausgrenzung gesetzt." Die Beschlüsse seien teils "rechtlich höchst bedenklich" - etwa beim Existenzminimum. Naujoks kritisiert auch: "Die Einführung einer Bezahlkarte wäre eine Rückkehr zum entwürdigenden Sachleistungsprinzip, das die Kommunen in NRW vor Jahren teilweise aus diesem Grund sowie wegen des hohen bürokratischen Aufwands abgeschafft haben."