Bis Mitte Dezember hat das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) insgesamt 84 Angriffe registriert, bei denen 273 Nutztiere getötet oder verletzt wurden. 67 Fälle konnten eindeutig Wölfen zugeordnet werden, 17 weitere werden nach Angaben des Lanuv noch untersucht. Zum Vergleich: 2023 gab es 53 bestätigte Wolfsangriffe, 2022 waren es 49 und 2021 nur 47.
Unklar sei bislang, ob die Angriffe auf umherziehende Wölfe oder auf die in NRW ansässigen Rudel zurückzuführen sind, erklärte das Amt: Das vom Lanuv betriebene "Wolfsmonitoring" sei noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig wurden laut Lanuv deutlich mehr Wölfe auf Straßen in NRW überfahren. Das könne auf eine Zunahme der umherziehenden Tiere hindeuten, hieß es.
Viel Nachwuchs bei Wolfsrudeln in NRW
Einig sind sich Wolfsexperten darüber, dass die dauerhaft in NRW lebende Wolfspopulation weiter gewachsen ist. Aktuell gibt es vier Rudel - jeweils aus Elterntieren und nachgewiesenen Welpen bestehend. Eines der vier Rudel sei erst im Jahr 2024 neu aus Belgien eingewandert und habe im Nationalpark Eifel im August sieben Welpen bekommen. Auch die Rudel im Ebbegebirge im Märkischen Kreis, in Schermbeck im Kreis Wesel und im Rhein-Sieg-Kreis an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz verzeichneten im vergangenen Jahr teils kräftigen Nachwuchs.
Allerdings mache die Zahl der Wölfe in NRW gerade mal ein Prozent der Wolfspopulation in ganz Deutschland aus, sagte eine Sprecherin des NRW-Umweltministeriums dem WDR. Wesentlich stärker verbreitet seien die Tiere in Sachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern bis nach Niedersachsen. Daher sei auch davon auszugehen, dass immer wieder einzelne Wölfe NRW durchwandern, aber nicht ansässig werden.
Landwirte fordern gezielten Abschuss
Was Naturfreunde begeistert, sorgt bei Landwirten für Unmut: Zunehmend würden Wölfe auch größere Nutztiere wie Rinder angreifen. Das meldeten der Rheinische und der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband.
Angesichts der gestiegenen Zahl an Wolfsrissen in NRW fordere der Rheinische Landwirtschafts-Verband (RLV) ein "aktives Bestandsmanagement" der Wolfspopulation, sagte eine Sprecherin dem WDR. Viele Tierhalter sein schon jetzt am Rande ihrer Belastbarkeit: Mit der Weidetierhaltung stehe "viel auf dem Spiel". Notwendig seien "praktikable und rechtssichere Regelungen zur Entnahme von Wölfen".
Der grüne NRW-Umweltminister Oliver Krischer hatte sich zum Thema Wolfsabschüsse Ende September offen gezeigt. Nachdem die EU angekündigt hatte, den Schutzstatus von Wölfen absenken zu wollen, sagte Krischer: "Das wird uns in Zukunft helfen, Wölfe, die erhebliche Schäden verursachen, entnehmen zu können."
Land fördert Herdenschutz
Die Landesregierung fördert aber auch den Schutz vor Wolfsangriffen seit mehreren Jahren: Wenn Wölfe in einer Region mehrfach nachgewiesen wurden und ein Territorium gebildet haben, wird eine sogenannte "Förderkulisse" für den Herdenschutz ausgewiesen. Insgesamt gibt es derzeit acht solcher "Förderkulissen" in NRW.
Innerhalb dieser Bereiche übernehme das Land bis zu 100 Prozent der Kosten für Herdenschutzmaßnahmen, sagte eine Sprecherin des Umweltministeriums dem WDR. Neben Zäunen und Stromgeräten gehöre dazu auch die Anschaffung und Ausbildung von Herdenschutzhunden.
Laut Ministerium standen dafür im vergangenen Jahr eine Million Euro zur Verfügung - von denen rund 860.000 Euro abgerufen worden seien.
Entschädigung bei Wolfsriss
Über die "Förderrichtlinien Wolf" werden betroffene Tierhalter zudem finanziell vom Land entschädigt. Seit Herbst 2024 würden diese Entschädigungsanträge bereits direkt nach der Meldung eines Wolfsrisses bearbeitet, erklärt die Landesregierung - unabhängig davon, ob DNA-Analysen später bestätigen, dass der Angriff wirklich durch einen Wolf erfolgte.
Schnappschuss per Nachtsichtkamera: Wolfsfamilie
In einem Antrag hatten CDU und Grüne im November 2024 geschrieben, das erklärte Ziel der schwarz-grünen Koalition sei es, "das Zusammenleben von Weidetieren und Wölfen in NRW durch Finanzierung von Herdenschutzmaßnahmen und Entschädigungszahlungen auf der einen Seite und den konsequenten Abschuss von verhaltensauffälligen Wölfen auf der anderen Seite zu ermöglichen". Landwirte sollen Unterstützung bekommen, gleichzeitig bleibe der Wolf "eine zurecht streng geschützte Art", seine Rückkehr sei "ein Erfolg für den Artenschutz in NRW".
Dem Rheinischen Landwirtschafts-Verband reicht das nicht aus: "Beim Herdenschutz bleiben die Tierhalter nach wie vor auf nicht unerheblichen Kosten sitzen", erklärte die Sprecherin. Das gelte insbesondere für die laufenden Kosten des Herdenschutzes, die bislang in NRW nicht förderfähig seien. Die Wirksamkeit bestehender Schutzmaßnahmen sei außerdem begrenzt, da einige Wölfe diese immer wieder überwinden würden.
Naturschutzbund warnt vor Abschüssen
Der Naturschutzbund NRW (Nabu) kritisiert jegliche Abschusspläne. Für eine Beurteilung der angestiegenen Risszahlen in 2024 müsse man die Fälle differenziert nach Wolfsterritorien betrachten. In den neueren Wolfsgebieten seien vermutlich viele Herdenschutzmaßnahmen noch nicht vollständig umgesetzt.
Der Abschuss einzelner Tiere löse das Problem nicht. Stattdessen könnten dadurch soziale Strukturen in den Rudeln zerstört werden, was vermutlich zu noch mehr Übergriffen führe. Nur konsequenter und flächendeckender Herdenschutz könne Konflikte mit Wölfen reduzieren, betonte ein Sprecher.
Wölfin Gloria darf vorerst weiterleben
Eigentlich hatten sich die Umweltminister von Bund und Ländern 2023 geeinigt, dass Wölfe, die Schutzzäume überwunden und Nutztiere gerissen haben, getötet werden können. Für viel Diskussion hatte zum Beispiel die mittlerweile berühmte Wölfin Gloria gesorgt, deren DNA mehrfach bei gerissenen Weidetieren am Niederrhein nachgewiesen werden konnte. Der Kreis Wesel hatte sie daher Ende 2023 zum Abschuss freigegeben.
Doch die "Gesellschaft zum Schutz der Wölfe" und der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) legten Eilanträge dagegen ein. Das Düsseldorfer Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Sachlage zunächst geprüft werden müsse. Laut Umweltministerium ist diese Prüfung bislang nicht abgeschlossen - und so lange lebt Wölfin Gloria weiter.
Quellen:
- Sprecherin Umweltministerium NRW
- Sprecherin Rheinischer Landwirtschaftsverband
- Homepage Wolfsmanagement Umweltministerium NRW
- Dokument Landtag NRW
- Deutsche Presseagentur
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