Fünf Tage Liste: Die NRW-AfD bestimmt ihre Bundestagskandidaten

Lokalzeit Ruhr 02.01.2025 02:35 Min. Verfügbar bis 02.01.2027 WDR Von Christof Voigt

Fünf Tage Liste: Die NRW-AfD bestimmt ihre Bundestagskandidaten

Stand: 03.01.2025, 08:59 Uhr

Von heute an wird in der NRW-AfD darum gerungen, wer für die Partei in den Bundestag einziehen soll. Schon die Länge des Parteitreffens in Marl ist außergewöhnlich.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich

Als letzte Partei im Landtag bestimmt die nordrhein-westfälische AfD ihre Liste zur Bundestagswahl. Während die anderen Parteien jeweils nur einen oder maximal zwei Tage brauchten, ihre Liste aufzustellen, plant die AfD mit fünf Tagen. Zu Beginn des Treffens haben mehrere Bündnisse zu Protesten gegen die Partei aufgerufen.

Die Dauer des Parteitags ist nichts Ungewöhnliches für die AfD. Schon seit ihrer Gründung vor elf Jahren brauchte es in der Regel mehrere Wochenenden, um das Personal für Wahlen zu bestimmen.

Stete Unruhe beim Kampf um Mandate

Um die aussichtsreichen Plätze für die wertvollen Mandate wird stets gestritten, Kandidaturen mehrerer Personen auf einen Platz sind eher die Regel als die Ausnahme.

Da zudem elektronische Wahlhilfen bei Listenaufstellungen (noch) nicht erlaubt sind, gleichen die Treffen oft einem langem und zähem Wahlmarathon. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl erledigt man die Aufstellung nun am Stück.

Kay Gottschalk soll Spitzenkandidat werden

Bis Montag geht es aber auch um einen Richtungsstreit. Selbst der designierte Spitzenkandidat Kay Gottschalk muss um seinen Platz fürchten. Der Landes- und Bundesvize der Partei könnte sich in normalen Zeiten selbst in einer gewohnt unruhigen Landes-AfD seiner Wahl sicher sein.

Er hat die Unterstützung des bisher unangefochtenen Landeschefs Martin Vincentz. Gottschalk selber gilt als loyal. Aber in den vergangenen Wochen gab es größere Unruhe um beide Personen.

Skandale um Lebensläufe und Mitgliedsaufnahmen

Landeschef Vincentz kämpft mit Skandalen. Einer seiner engsten Vertrauten, der Landtagsabgeordnete Klaus Esser, musste eingestehen weite Teile seines Lebenslaufes gefälscht zu haben.

Mehr noch: In seinem Kreisverband soll es zu Unregelmäßigkeiten bei der Aufnahme von Mitgliedern gekommen sein. Das zumindest legt ein interner Prüfbericht der Partei nahe, der dem WDR vorliegt. Demnach sei es in "insgesamt 8 bekannten Fällen" zu Aufnahmen mit "Scheinadressen" gekommen.

Darf die AfD überhaupt antreten?

Dieser Vorgang hat die Landeswahlleiterin aufmerksam gemacht. Sie hat die Partei um Stellungnahme gebeten, ob diese Personen auch an der Aufstellung von für Wahlen relevante Listen beteiligt gewesen seien.

Innerhalb des Landesvorstands spielt man das Problem runter. Man habe die Probleme heilen können, sagt ein Parteisprecher. Aber intern ist die Sorge groß, die AfD-Liste könne nicht zur Bundestagswahl zugelassen werden. Zumindest weiß man, dass man unter Beobachtung steht.

NRW-AfD-Parteitag: "Ungewöhnlich lang"

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Eine Nichtzulassung wäre ein großes Problem für die gesamte Partei - sie stünde dann in NRW nicht zur Wahl. Damit würden der AfD Hunderttausende Stimmen fehlen - von einem Traumergebnis an die 20 Prozent wäre man plötzlich weit entfernt.

Kritiker sehen "Doppelstandards"

Hinzu kommen noch Diskussionen um eine Mitarbeiterin des designierten Spitzenkandidaten Kay Gottschalk. Die Frau soll sich im Umfeld der neonazistischen und inzwischen verbotenen "Artgemeinschaft" bewegt haben. Das zumindest berichtet die "Welt".

Kritiker werfen dem Landesvorstand um Martin Vincentz deshalb vor, er habe die Partei nicht mehr im Griff. Von "Doppelstandards" ist die Rede. Wer loyal sei, "dürfe sich in der Partei eindeutig mehr erlauben, als jemand, der offen Kritik übt", sagt es ein Parteimitglied, das nicht genannt werden will.

Auch in der Landtagsfraktion sei es wegen der Vorfälle nach WDR-Informationen schon zu deutlichen Wortmeldungen gekommen sein.

Das Comeback des Matthias Helferich?

Einer, der sich das zunutze machen will, ist der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich. Der war bei seinem Einzug in den Bundestag selbst der eigenen Fraktion zu rechtsextrem. Man nahm ihn nicht auf.

Helferichs politische Karriere schien eigentlich schon vorbei zu sein - eine Chance auf einen sicheren Listenplatz hatte er nicht. Helferich ist bei der vom Verfassungsschutz beobachteten "Jungen Alternative" beliebt, seine Auftritte im Bundestag führen regelmäßig zum ein oder anderen Eklat.

Im Gespräch mit dem WDR sagt er, dass er sich jetzt aber wieder Hoffnung mache, unter die ersten zehn Listenplätze rutschen zu können. Es wäre sein sicherer Wiedereinzug in den Bundestag und für Landeschef Vincentz eine schwer zu verkraftende Niederlage.

Große Parteikrise als Gefahr

Mehr noch: Helferich hofft, noch mehr seiner Unterstützer auf prominente Plätze platzieren zu können. "Eine starre Liste gebe es da nicht, aber Ideen", sagt Helferich auf Nachfrage. Sogar ein Gegenkandidat für Kay Gottschalk steht im Raum. Wer das sein könne, sagt Helferich nicht.

Sollte dieser Angriff erfolgreich sein, die AfD würde in eine große Krise stürzen. Und das, obwohl man sehr wahrscheinlich vor einem historischen Erfolg steht. Mit um die 20 AfD-Abgeordneten aus NRW könnte man rechnen, wenn die Umfragen sich im Februar bei der Wahl bestätigen sollten.

Unsere Quellen:

  • Eigene WDR-Recherche
  • Berichterstattung der Zeitung "Die Welt"
  • Gespräch mit Matthias Helferich

Über dieses Thema berichtet der WDR am 02.01. auch in WDR aktuell und dem WDR 5 Westblick.

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