Fassaden von Altbauwohnungen in der Kölner Südstadt

Ungebremst in den Mietnotstand

Stand: 12.03.2023, 06:00 Uhr

Die Mietpreise in NRW sind 2022 noch stärker gestiegen als in den Jahren davor. NRW-Bauministerin Scharrenbach lehnt eine Verschärfung der Mietpreisbremse trotzdem ab.

Von Petra Dierks, Arne Hell und Simon Kaufmann

Die Situation auf dem Wohnungsmarkt hat sich im vergangenen Jahr in vielen Städten in Nordrhein-Westfalen noch einmal verschärft. Das zeigen neue Zahlen des Immobiliendatendienstes Empirica, die dem WDR-Magazin Westpol vorliegen.

Demnach hat sich der Anstieg der Mieten vor allem in den ohnehin angespannten Ballungsräumen entlang des Rheins noch einmal beschleunigt – und das trotz der dort geltenden Mietpreisbremse.

Mieten-Plus von mehr als zehn Prozent - in einem Jahr

Die Mieten etwa in der Stadt Alfter bei Bonn sind laut der ausgewerteten Daten im Jahr 2022 noch einmal um 12 Prozent gestiegen. Das ist fast dreimal so viel wie im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Der Quadratmeter kostete in Alfter im Schnitt 10,20 Euro Kaltmiete.

Ähnlich extrem ist die Entwicklung in Pulheim bei Köln gewesen: Ein Plus von 11 Prozent bei den Mieten. Der Quadratmeterpreis schoss auf über 11 Euro hoch. Weniger stark stiegen die Mieten 2022 in den Großstädten Köln (+5%), Düsseldorf (+5%), Bonn (+6%) und Münster (+5%), aber auch hier war der Anstieg höher als im 10-Jahres-Durchschnitt.

Statt Kaufen oder Bauen wird weiter gemietet

Hauptgrund für die sich zuspitzende Entwicklung ist aus Sicht von Experten, dass sich die Bedingungen für den Wohnungsneubau und den Kauf von Immobilien so stark verschlechtert haben: Stark gestiegene Preise für Baumaterialien und stark gestiegene Zinsen für Kredite. Bauprojekte werden gestoppt oder verschoben.

Michael Voigtländer, Institut der Deutschen Wirtschaft, gibt ein Interview

Prof. Michael Voigtländer, Institut der Deutschen Wirtschaft

"Dadurch verlagert sich jetzt gerade die Nachfrage vom Eigenheimmarkt in den Mietwohnungsmarkt", sagt Prof. Michael Voigtländer, Ökonom am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Menschen, die zahlungskräftig sind und eigentlich kaufen wollten, würden jetzt also doch weiter mieten: "Das treibt die Mieten gerade an."

Die Mietpreisbremse, die in NRW in 18 Städten gilt, scheint die Entwicklung kaum dämpfen zu können. In der Praxis machen offenbar nur wenige Mieterinnen und Mieter davon Gebrauch – sie müssten ihrem Vermieter dafür nach Einzug nachweisen, dass die Miete mehr als 10 Prozent über dem liegt, was für so eine Wohnung ortsüblich ist.

Außerdem scheinen Vermieter zunehmend nach Wegen zu suchen, die Mietpreisbremse zu umgehen, etwa indem sie Wohnung möbliert vermieten. Das Portal "Mietenmonitor" hat berechnet, dass in Düsseldorf bei ungefähr einem Viertel aller Neuvermietungen gegen die Mietpreisbremse verstoßen wird.

NRW-Bauministerin will Mietpreisbremse nicht verschärfen

Die Mietpreisbremse verschärfen will die zuständige NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach trotzdem nicht. Sie befürchtet "ein Bürokratiemonster" zu schaffen, wenn Kommunen in Zukunft einzelne Mietverträge kontrollieren sollten.

Ina Scharrenbach (29.06.2022)

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU)

Andere kurzfristige Möglichkeiten, um gegenzusteuern, sieht Scharrenbach allerdings auch nicht: "Es gibt manchmal Zeiten, und das sage ich ungern, in denen die Dinge so sind, wie sie sind." Es gebe nun mal eine "toxische Gemengelage", das Szenario einer Mietkatastrophe in NRW sei "in Teilen schon eingetreten", es gebe kaum noch Leerstand.

SPD fordert staatliche Wohnungsbaugesellschaft

Das, was die Landesregierung tun könne, werde getan, sagte Scharrenbach im Westpol-Interview. Ihr Hauptziel sei es, für Investitionssicherheit zu sorgen, durch Förderung von Wohnungsneubau. Dafür stehen in diesem Jahr 1,6 Milliarden Euro bereit: "Aber das wirkt erst in der Zukunft."

Sebastian Watermeier, SPD-Landtagsabgeordneter, im Interview

Sebastian Watermeier, SPD-Landtagsabgeordneter

"Die Ministerin wird jetzt von dem eingeholt, was die Landesregierung in der Vergangenheit versäumt hat", hält der SPD-Landtagsabgeordnete Sebastian Watermeier dagegen. Scharrenbach hätte schon viel früher und mit mehr Geld den Wohnungsbau fördern müssen, auch mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, "politisch gesteuert da, wo die Wohnungsmärkte am angespanntesten sind".

Scharrenbach dagegen übt scharfe Kritik an der Bundesregierung. Diese habe durch die Änderung der Förderkriterien die Branche extrem verunsichert. Der Grundsatz, dass Wohnungen auch bezahlbar sein müssten, sei aufgegeben worden: "Damit spaltet die Bundesregierung die Gesellschaft in den Teil, der es sich noch leisten kann, und den Teil, der es sich nicht mehr leisten kann."

Auf die Forderung nach günstigen Wohnraum, geschaffen mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft, reagierte Scharrenbach in der "Aktuellen Stunde": "Es wird immer so dargestellt, als ob das Land Nordrhein-Westfalen freie Grundstücke hätte, die einfach so zur Bebauung anstehen würden. Das ist erst mal in der Breite nicht der Fall", so die Ministerin. Außerdem habe NRW keinen Mangel an Bauwilligen sondern eine deutliche Verteuerung im Bau. "Die Finanzierungskosten explodieren auf breiter Front, sowohl für Familien, die gerne Eigentum schaffen möchten, als auch für die Wohnungsbaugesellschaften", sagte Scharrenbach weiter.

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