Wohnungskrise: Verbände fordern Sondervermögen von 50 Milliarden Euro

Stand: 13.01.2023, 12:06 Uhr

Rekordzuwanderung trifft auf Rekordwohnungsmangel. Aktuell fehlen etwa 700.000 Wohnungen in Deutschland. Das Bündnis "Soziales Wohnen" hält einen "Bau-Booster" für nötig.

Von Sabine Tenta

Das Bündnis "Soziales Wohnen" hat am Donnerstag von einer "dramatischen Lage" auf dem deutschen Wohnungsmarkt gesprochen. Der Zusammenschluss mehrerer Organisationen geht davon aus, dass 2022 etwa 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland eingewandert sind. "Das war die höchste Zuwanderung seit Jahrzehnten", so Matthias Günther vom Pestel-Institut. Es legte eine Studie zum Wohnungsmarkt im Auftrag des Bündnisses vor. Der Krieg in der Ukraine sei ein Grund für die hohe Zuwanderung.

Das fehlt aktuell an Wohnungen

Das Bündnis rechnet vor, dass aktuell 700.000 Wohnungen in Deutschland fehlen. Das sei ein Rekorddefizit, bezogen auf die letzten 20 Jahre. Besonders dramatisch sei der Mangel an Sozialwohnungen. Nur ein Zehntel derer, die Anspruch auf eine Sozialwohnung in Deutschland haben, könnten auch in einer wohnen.

Der Bedarf und die Umsetzung

Bis 2045 gebe es einen Bedarf an zwei Millionen zusätzlichen Wohnungen. Dafür müsse man durchgängig 350.000 bis 400.000 Wohnungen jährlich bauen. Dieser Bedarf deckt sich ungefähr mit dem, was sich die Bundesregierung für diese Legislaturperiode vorgenommen hat.

Die Ampelkoalition will jährlich 400.000 Wohnungen bauen, davon sollen 100.000 Sozialwohnungen sein. Ein ambitioniertes Ziel, das sie aber im letzten Jahr laut Bündnis "Soziales Wohnen" klar verfehlte. Nach vorläufigen Schätzungen des Pestel-Instituts sind 2022 lediglich 20.000 Sozialwohnungen neu gebaut worden. Laut Bundesbauministerium werden die konkreten Zahlen für 2022 im Mai vorliegen.

Ziele auch in NRW verfehlt

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) skizzierte am Donnerstag im WDR die Herausforderungen für den Wohnungsbau: "Wir haben 2022 ein recht turbulentes Jahr in der Wohnungswirtschaft erlebt." Als Gründe nannte sie ansteigende Zinsen, die Inflation, die Verfügbarkeit von Handwerksunternehmen sowie rund 17 Prozent Kostensteigerung beim Bau. "Das prasselt jetzt auf die, die investieren wollen", sagte Scharrenbach. Viele würden wegen der unsicheren Wirtschaftslage Bauprojekte zurückstellen.

Ihr eigenen Ziel - jährlich sollen 51.000 neue Wohnungen in NRW entstehen - hat die Bauministerin im letzten Jahr verfehlt. Das erklärte sie bereits Ende September 2022.

Auch wenn das Bündnis "Soziales Wohnen" NRW im Vergleich zu anderen Bundesländern bescheinigte, bei den Sozialwohnungen "auf einem halbwegs ordentlichen Niveau" zu sein, so fehlen doch auch hier die preiswerten Wohnungen für Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein.

Als einen Grund nannte Ina Scharrenbach im WDR, dass "die Anforderungen an die Gebäude, die bundes- und europarechtlich gestellt werden, unter anderem zur Energieeffizienz", immer intensiver würden, "und das verteuert den Bau", so Scharrenbach. Da die Mieten im sozialen Wohnungsbau gedeckelt seien, müsse dann der Staat mehr subventionieren.

Bündnis "Soziales Wohnen" fordert Sondervermögen

Das Bündnis macht einen hohen Förderbedarf im Wohnungsbau aus. Ähnlich wie bei der Bundeswehr müsse ein Sondervermögen aufgelegt werden, und zwar in Höhe von 50 Milliarden Euro bis 2025. Diese Summe müssten Bund und Länder gemeinsam stemmen. Wobei der Bund Dreiviertel der Summe, also 38,5 Milliarden Euro aufbringen müsse, schlägt das Bündnis vor.

Bundesbauministerin: "Mehr Geld alleine bringt nichts"

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) widersprach diesem Lösungsansatz. Auf Twitter verwies sie auf Lieferprobleme und Lieferknappheiten in der Bauwirtschaft. "Mehr Geld alleine bringt gar nichts. Wir müssen die Kapazitäten auf dem Bau ausweiten", forderte sie stattdessen.

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Weitere Maßnahmen vorgeschlagen

Das Sozial-Bündnis schlägt als weitere Maßnahme zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus die Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent vor. Bei einer durchschnittlichen Sozialwohnung von 60 Quadratmetern Größe mache das eine Einsparung von 20.000 Euro pro Wohnung aus, rechnete das Bündnis vor.

Es könne auch ein Sonderprogramm helfen, um das "Switchen vom regulären Mietwohnungsbau zum sozialen Wohnungsbau" zu unterstützen. Das Bündnis verspricht sich davon, dass Bauprojekte, die wegen der Krisenlage gerade auf Eis liegen, fortgeführt werden.

Mehr Digitalisierung

Zudem müssten Förderanträge deutlich schneller bearbeitet, die Digitalisierung vorangetrieben werden, forderte das Bündnis. In diesem Punkt gibt es eine Übereinstimmung mit der Bundesbauministerin, auch sie betont: "Wir müssen vor allem moderner, produktiver und digitaler werden, um die Kapazitätserweiterung auf dem Bau hinzukriegen."

Wohnraum Bedingung für Zuwanderung

Dreh- und Angelpunkt der Ausführungen des Bündnisses zur Wohnungskrise war immer wieder die Zuwanderung. Auf die sei Deutschland in den kommenden Jahren angewiesen, so die Analyse. Und wenn Deutschland attraktiv für Zuwandernde sein wolle, dann müsse es auch bezahlbaren Wohnraum geben. Harald Schaum von der IG Bau sagte: "Es kommt niemand, um in Containern und Zelten zu wohnen."

Janina Bessenich von der "Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie e.V." mahnte, dass ohne Zuwanderung ganze Wirtschaftsbereiche wie das Gesundheitswesen zusammenzubrechen könnten. "Es geht um die soziale und die gemeinsame wirtschaftliche Zukunft."

Das Bündnis "Soziales Wohnen"

Das Bündnis "Soziales Wohnen" wurde 2019 gegründet. Mitglieder sind: der Deutsche Mieterbund, die IG Bauen-Agrar-Umwelt, die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau, der Bundesverband deutscher Baustoff-Fachhandel, die Caritas Behindertenhilfe und der Psychiatrie e.V.