"Das Ding fehlt einfach." So die Schlussworte des Unternehmers und RWTH-Dozenten Thomas Prefi am Ende der zweistündigen Anhörung im Wirtschaftsausschuss. "Das Ding": das ist eine eigene Luftfahrtstrategie des Landes NRW. Eine solche Strategie fordert die FDP in ihrem Antrag mit dem popmusikalisch angehauchten Titel "Nordrhein-Westfalen völlig losgelöst von der Erde". Eine solche Strategie fordern auch alle Experten in ihrer - und das ist ungewöhnlich - gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme.
Mit einer Einschränkung: während die Liberalen sich für eine gemeinsame "Luft- und Raumfahrtstrategie des Landes" aussprechen, schlagen die Experten vor, die Raumfahrt separat in den Blick zu nehmen. Zu unterschiedlich seien die beiden Branchen zum Beispiel im Hinblick auf Zulassungsverfahren, Stückzahlen und Kunden.
Lichtgestalt fehlt
"NRW ist ein Luftfahrtland." Auch diese Einschätzung von Prefi teilen die anderen Experten in der Landtags-anhörung. Allerdings fehle die "Lichtgestalt", wie es Berater Peter Bentzinger formuliert. Er meint ein großes, prominentes Unternehmen wie Airbus oder den Triebwerkshersteller Rolls-Royce. Dieser Mangel bedeute weniger Sichtbarkeit für den Standort. Stattdessen sei NRW durch eine starke Zuliefererindustrie für die Luftfahrt geprägt. Deshalb sei ein Branchen- und Standortmarketing so wichtig, um Fachkräfte und Investoren gewinnen zu können.
Das vom NRW-Wirtschaftsministerium geförderte Netzwerk Aerospace NRW listet in seinem umfangreichen Akteursverzeichnis rund 120 Unternehmen auf - vom Aluminiumwerk in Unna bis hin zu einem Drohnen-Start Up in Siegen. Nach Angaben aus dem NRW Wirtschaftsministerium beschäftigt die Luft- und Raumfahrtindustrie in NRW fast 4.500 Menschen und hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,3 Milliarden Euro erzielt.
Das "Tal des Todes" für Innovationen
Ein weiterer Wunsch der Branche: mehr Testzentren, in die sich die mittelständischen Unternehmen nur einmieten. Die seien zu kostspielig, um sie aus eigener Kraft zu stemmen. Auf dem Weg von der Innovation zur Serienreife aber liege das "Tal des Todes", sagt Kai-Uwe Schröder von der RWTH Aachen. Dort blieben wegen der Kosten viele Ideen auf der Strecke. Sehr hilfreich seien dagegen Einrichtungen wie das "Production Launch Center Aviation" am Forschungsflugplatz Aachen-Merzbrück.
Derzeit erwartet die Luftfahrtbranche einen großen Wachstumssprung, so die Experten. Prognosen zufolge gebe es in der kommerziellen Luftfahrt weltweit einen Bedarf von mehr als 40.000 neuen Maschinen bis zum Jahr 2042. Und: bis 2050 wolle man Klimaneutralität erreichen. All das sei eine Chance, aber zugleich auch eine enormer Druck für mittelständische Zulieferbetriebe.
Besser gestern als heute
In der Anhörung warben die Experten für ein luftfahrtspezifisches öffentliches NRW-Förderprogramm, das möglichst unbürokratisch sein soll. Sie sprachen sich auch dafür aus, neben eher mittelständischen Zulieferern - wenn möglich - auch ein Großunternehmen für NRW zu gewinnen - die besagte "Lichtgestalt" also.
Die Luftfahrt sei von einem Sicherheitsdenken getrieben, so Leichtbau-Experte Schröder von der RWTH Aachen. Das bedeute zugleich: Lieferketten seien wegen der besonderen Anforderungen normalerweise "auf Jahrzehnte dicht". Mit dem Umbau der Luftfahrt öffne sich jetzt aber eine Chance auf neue Marktzugänge auch für die Zulieferindustrie in NRW. Deshalb brauche es eine NRW-Strategie jetzt - oder besser noch "gestern".
Über dieses Thema berichtet der WDR auch im Hörfunk, in der WDR5-Sendung Westblick am 25.09.2024.