Windkraft: Warum die abgeschaffte Abstandsregel für neue Debatten sorgt
Stand: 22.09.2023, 15:08 Uhr
Hebeln die Bezirksregierungen die Abschaffung der Abstandsregeln für Windkraft aus? Der Landtag debattierte auf Antrag der SPD über das für die Energiewende so wichtige Thema.
Von Sabine Tenta
Die NRW-Landesregierung schafft die pauschale Abstandsregel von 1.000 Metern für Windkraftanlagen ab. Doch die Bezirksregierungen könnten sie über die Hintertür wieder einführen. Planungen in den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster deuten in diese Richtung. Rechtlich wäre das möglich.
Aber über die politische Bewertung und die Folgen für die Energiewende hat der NRW-Landtag am Freitag kontrovers diskutiert. Den Antrag zu dieser Aktuellen Stunde stellte die SPD. Immer wieder in der Debatte zitiert wurde die Berichterstattung des WDR zu diesem Thema in der Sendung Westpol am Sonntag.
SPD sieht handwerkliche Fehler bei Landesgesetz
Alexander Vogt (SPD) argumentierte, die Planungen in den Regierungsbezirken zeigten, "wie löchrig" das Gesetz zur Abschaffung der 1.000-Meter-Abstandsregel sei. Er warf der Landesregierung handwerkliche Fehler vor. Sie würde die Diskussion vom Landtag in die Regionen verschieben.
FDP verteidigt erneut die 1.000-Meter-Abstandsregel
Der FDP-Abgeordnete Dietmar Brockes verteidigte die Linie seiner Partei, die auch schon in der letzten Legislaturperiode als Teil der Landesregierung die 1.000-Meter-Abstandsregel beibehalten hatte. Sie schaffe Rechtssicherheit beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und Akzeptanz. Mit dem Gesetz zur Abschaffung habe die Landesregierung der "Kleinstaaterei Tür und Tor geöffnet", so Brockes. Dies verhindere auch eine Beschleunigung der Genehmigungsverfahren, da man jetzt wieder den Einzelfall betrachten müsse.
Landesregierung will Regionen entscheiden lassen
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen aus CDU und Grünen argumentierten hingegen, zentral sei, ob das Ausbauziel erreicht werde. Der Bund schreibt vor, dass 1,8 Prozent der NRW-Landesfläche für die Windkraft ausgewiesen wird. Energieministerin Mona Neubaur (Grüne) sagte, es sei gut, dass die Standorte nicht zentral aus Düsseldorf vorgegeben werden. Das müsse in den sechs Planungsregionen des Landes entschieden werden. Sie bestehen aus den fünf Regierungsbezirken und dem Regionalverband Ruhr als sechster Region.
Neubaur zeigte sich zuversichtlich, dass bis 2025 die nötigen Flächen ausgewiesen sind. Bereits bis 2027 sollen die vom Bund vorgegebenen Ausbauziele erreicht werden, die eigentlich erst bis 2035 erfüllt werden müssen. Diesen ambitionierten Plan bekräftigen die Grünen in der Debatte. Und auch der CDU-Abgeordnete Christian Untrieser sagte, "die landesweiten Ziele werden auf jeden Fall erreicht".
AfD findet Windräder "hässlich"
Der AfD-Abgeordnete Carlo Clemens befürchtete, dass nun "die letzten Regeln" zur Errichtung von Windkraftanlagen "geschliffen werden" sollen. Die in den Regierungsbezirken diskutierten Abstandsregeln seien für die AfD "viel zu wenig". Er sprach von "ideologiegetriebenen Energiewende-Exzessen" und nannte Windräder "hässlich".
Windkraftausbau - Blockade auf Bezirksebene?
Verfügbar bis 17.09.2028.
LEE NRW kritisiert Pläne der Regionalräte, NABU NRW lobt sie
Der Vorsitzende des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE), Hans-Josef Vogel, sagte anlässlich der Debatte, es sei für den Ausbau der Windenergie "ein Bärendienst, wenn Regionalräte ungeeignete Flächen ausweisen", um allein die numerischen Vorgaben der Landesregierung zu erreichen. Es könne auch nicht sein, "dass Regionalräte eine landesgesetzliche Regelung wie die Abschaffung des 1.000-Meter-Mindestabstandes einfach aushebeln".
Vogel empfiehlt den Regionalräten "schon jetzt mehr als die Mindestflächen" auszuweisen, damit nicht später, "in aufwändigen bürokratischen Verfahren" ihre Regionalpläne erneut überarbeiten müssten.
Ganz anders klingt die Stellungnahme des Naturschutzbunds Deutschland, NABU, dazu. Die Vorsitzende des NRW-Landesverbands, Heide Naderer, lobte das umsichtige Vorgehen der Regionalräte. Es sei "zum Beispiel richtig und wichtig, dass im waldarmen Münster gemäß aktuellem Regionalplanentwurf Waldbereiche und auch die für die Biotopvernetzung und -entwicklung wichtigen 'Bereiche zum Schutz der Natur' im Regelfall von der Windenergie freigehalten werden sollen".
Der Austausch mit Naturschutz-Aktiven vor Ort hat laut Naderer gezeigt, dass viele "mit großer Sorge" auf den Pfad blickten, der durch die neuen gesetzlichen Regelungen und planerischen Vorgaben auf Bundes- und NRW-Ebene vorgezeichnet worden seien. Sie sähen ihre "jahrelange harte Arbeit durch die massiven Beschränkungen des Natur- und Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen gefährdet", so Naderer.
Über dieses Thema berichten wir am Freitag, 22.09.2023 auch im Westblick auf WDR 5.