Kommentar: Schulden-Debatte muss zurück ins Parlament

Stand: 03.04.2023, 15:06 Uhr

SPD und FDP legen Verfassungsklage ein gegen die NRW-Extra-Schulden für die Energiekrise. Das verstoße gegen die Schuldenbremse im Grundgesetz. Dabei ist genau die das eigentliche Problem, meint Wolfgang Otto.

Von Wolfgang Otto

Jetzt wird also vom Landesverfassungs-Gerichtshof in Münster entschieden, was eigentlich im Landtag in Düsseldorf hätte ausdiskutiert und geklärt werden müssen. Sollte die Landesregierung auch auf Kredite zurückgreifen, um die Folgen des russischen Angriffskrieges zu mildern? Und was gehört eigentlich alles zu den Folgen dieses Krieges?

Auf diese Fragen gibt es keine wissenschaftlich eindeutigen Antworten. Tatsächlich sind Ökonomen in mindestens zwei Lager gespalten, wenn es um Staatsschulden geht. Für die einen sind sie oft unerlässlich, für die anderen genauso oft hochgefährlich.

Obwohl es also gar keine unumstrittene Grenze zwischen guten Schulden und schlechten Schulden gibt, hat eine politische Mehrheit eine harte Kredit-Begrenzung in das Grundgesetzt geschrieben – die Schuldenbremse. An deren Regeln arbeiten sich jetzt alle juristisch ab - Politiker und Politikerinnen, Richter und Richterinnen.

Urteile im Widerspruch

Dabei kann nichts Gutes herauskommen. Nicht mal Klärung. Die bisherigen Urteile zum Umgang mit der Schuldenbremse, die es in Hessen und Rheinland-Pfalz gegeben hat, sind teils widersprüchlich. Wie das Verfahren in NRW ausgehen wird, weiß kein Mensch. Im Landtag in NRW waren zu dem Thema zwei Sachverständige zu hören, die – jeweils sehr überzeugend – zwei völlig konträre Urteile abgegeben haben.

Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Kommentar: Landespolitik-Redakteur Wolfgang Otto

Auch die parteipolitische Aufstellung in diesem jetzt vor Gericht ausgetragen Streit ist voller Brüche. Die FDP würde das Geld für Hilfsprogramme in der Energiekrise in NRW gerne durch Einsparungen an anderer Stelle im Haushalt finanzieren.

Wenn ihr Finanzminister im Bund das aber nicht so macht, sondern Schulden dafür aufnimmt, finden die Liberalen das ganz in Ordnung. Die SPD in NRW fordert viel größere staatliche Ausgabenprogramme auf Pump als sie Schwarz-Grün jetzt plant. Und nagelt die Landesregierung auf Schuldenregeln fest, von denen sie selbst gar nicht überzeugt ist.

Wie passt das alles zusammen? Gar nicht.

Dabei geht es um wichtige Fragen. Um große, wie die: Mit welchen Kosten sollte die jetzige Generation über Steuern und mit welchen künftige Genrationen über Schulden belastet werden?

Aber es geht auch um viele kleinere: Muss die Landesregierung Kredite aufnehmen, um jetzt alle Polizeibehörden und Krankenhäuser schnell mit Notstromaggregaten auszustatten? Sollte die Energiewende in NRW mit geliehenem Geld auf Extra-Tempo gebracht werden? Ist es gerechtfertigt, Photovoltaik auf Pump zu fördern? Oder sollten die Steuereinnahmen dafür reichen?

Diese Fragen müssen jedes Mal aufs Neue in einer öffentlichen Debatte geklärt werden. Und nicht ein für alle Mal in Gesetzes-Kommentaren. Solche Entscheidungen gehören in Parlamente, nicht in Gerichtssäle.

Dieser Kommentar läuft auch im Hörfunk auf WDR5 im Landesmagazin Westblick.

Weitere Themen