Yazgülü Zeybek (l) und Tim Achtermeyer

Grüne vor Parteitag: Diszipliniert und pragamatisch - aber auch mit Profil?

Stand: 03.06.2023, 12:07 Uhr

Beim Parteitag in Münster zieht die Basis der Grünen auch eine Bilanz nach einem Jahr Regierungsbeteiligung. Die Zusammenarbeit mit der CDU in Düsseldorf ist harmonischer als in der Ampel in Berlin.

Von Tobias ZacherTobias Zacher

"Für eine Welt voller Leben - Naturschutz und Klimaschutz gerecht werden" ist der Titel des Leitantrags, den der Landesvorstand in den Mittelpunkt des Parteitags stellt. Doch wenn sich die NRW-Grünen Samstag und Sonntag in Münster treffen, steht neben dem Artenschutz mindestens ein weiteres großes Thema im Mittelpunkt dieser sogenannten Landesdelegiertenkonferenz: Seit knapp einem Jahr regieren die Grünen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit der CDU, besetzen vier Ministerposten. Eine erste Bilanz dazu werden die 280 Delegierten der Partei an diesem Wochenende ziehen.

Tim Achtermeyer, der Co-Landesvorsitzende, versuchte bereits im Vorfeld den Ton zu setzen: CDU und Grüne würden "konstruktiv zusammenarbeiten - mit unterschiedlichen Perspektiven und Biografien und politischen Kulturen", sagte er am Donnerstag in der Landespressekonferenz.

Tatsächlich läuft der Regierungsbetrieb in Düsseldorf auffällig ruhiger als bei der notorisch zerstrittenen Bundes-Ampel in Berlin. Dennoch stellen sich Menschen in der Fraktion und in den Vorfeldorganisationen der Grünen zunehmend die Frage, welcher Preis für die selbstverordnete Regierungsdisziplin in NRW zu zahlen ist.

Wüst präsidial, Neubaur muss Fragen beantworten

Düsseldorf 09.12.2022 Plenum Landtag NRW Mona

Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU)

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gelingt es weitgehend, dem teils verminten politischen Tagesgeschäft durch seinen präsidialen Regierungsstil fernzubleiben. Auch deshalb bezeichnen ihn einige inzwischen gar als potenziellen Kanzlerkandidaten. Im Gegenzug bleiben heikle politische Themen in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder an den Grünen kleben: Das war bei der Räumung Lützeraths zu Jahresbeginn der Fall. Es trifft auch auf den vorgezogenen Kohleausstieg 2030 zu, der in dieser Woche mit dem "Reviervertrag 2.0" vorangebracht werden sollte.

In beiden Fällen richteten sich die kritischen Fragen vor allem an die Grüne Energieministerin Mona Neubaur - während Wüst sich einfach aus der Debatte heraushielt (Lützerath) oder auf wohlklingende Allgemeinplätze zurückzog (Kohleausstieg). Der nicht endende Streit um das geplante Heizungsgesetz im Bund macht das Regieren auch in NRW nicht leichter: "Es ist keine einfache Zeit aktuell", räumte die NRW-Co-Vorsitzende Yazgülü Zeybek in dieser Woche ein. "Wir haben schwierige Entscheidungen, die wir in vergangene Monaten tragen mussten, auch um die Energieversorgung sicherzustellen."

Autobahn-Ausbau "hätte nie passieren dürfen"

Tatsächlich sparten die nordrhein-westfälischen Umweltverbände kürzlich nicht mit deutlicher Kritik an der Klima- und Umweltbilanz der NRW-Koalition. Weil in den kommenden Jahren mehr Braunkohle verbrannt werden darf als ursprünglich geplant, sei der Kohleausstieg 2030 "eine ganz schwere Klimaschutz-Hypothek", kommentierte der BUND-Vorsitzende Holger Sticht.

Beim Umwelt- und Artenschutz gebe es "keine konsequente Linie", bemängelte NABU-Chefin Heide Naderer. Und die nach anfänglichen Widerständen erfolgte Zustimmung zu den Autobahn-Ausbau-Plänen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) durch seinen NRW-Amtskollegen Oliver Krischer (Grüne) hätte in dieser Form "nie passieren dürfen", kritisierte Mark vom Hofe, Vorsitzender der LNU.

Trotzdem seien der vorgezogene Kohleausstieg und der inzwischen wieder schnellere Ausbau der Erneuerbaren Energien Erfolgsgeschichten der Grünen - so werden Partei- und Fraktionsspitze nicht müde zu betonen. Tatsächlich sind hier Fortschritte in NRW sichtbar.

Im Gegenzug bekommen die Grünen weiterhin keinen politischen Fuß auf den Boden gegen die Linie von Minister Herbert Reul (CDU). Die Innenpolitik war seit Beginn der Koalition eine Art Bruchstelle von schwarz-grün. Genau dort zeigen sich inzwischen erste feine Differenzen auf offener Bühne. Das gilt für die Auseinandersetzung um Bahar Aslan ebenso wie für die Ausrichtung der Cannabis-Legalisierung.

Basis wohl für mehr klare Grüne Kante

Vorhersehbar ist, dass die Basis auf dem Parteitag am Wochenende mehr klare Kante der Grünen Regierungsmitglieder einfordern wird. Ebenso erwartbar ist jedoch, dass niemand die Axt an den Koalitions-Stamm legen wird. Das Projekt "Grüne Regierungsfähigkeit in NRW neu beweisen" werden selbst die kritischsten Delegierten in Münster nicht ernsthaft zur Disposition stellen können.

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WDR RheinBlick 26.05.2023 28:13 Min. Verfügbar bis 24.05.2029 WDR Online


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