Das Bild zeigt drei Klimaaktivisten in organenen Warnwesten, die eine Hand auf einer Straße in Essen festgeklebt haben.

Gebühren für Klimakleber: Rechtsexperte äußert Zweifel

Stand: 17.08.2023, 15:29 Uhr

Sogenannte "Klimakleber" sollen für den Polizeieinsatz neuerdings bezahlen. Doch bei dem entsprechenden Erlass sind der Landesregierung offenbar rechtliche Schnitzer unterlaufen. Die Regelung sei nicht rechtssicher, sagt ein Jurist.

Von Nina Magoley

Vergangenen Freitag erst war die neue Verordnung in Kraft getreten, knapp eine Woche später stellen Rechtsexperten sie schon in Frage. Die Rede ist von der Gebührenverordnung NRW, die neuerdings eine Gebühr vorsieht zum Beispiel für Aktivisten der "Letzten Generation", aber auch für die Organsiatoren von Flashmobs. Vorausgesetzt, dass die Polizei "unmittelbaren Zwang" anwenden muss, weil "die Ansammlung die öffentliche Sicherheit oder Ordnung beeinträchtigt". Im Höchstfall sind dann 50.000 Euro fällig.

Die Gebühr gilt nicht als Strafe, sondern soll den Aufwand des Polizeieinsatzes ausgleichen. Je länger der Einsatz dauert, desto höher könnte die Gebühr für die sogenannten "Störer" ausfallen.

"Beredtes Schweigen beim Gesetzgeber"

Am Donnerstag hatte die FDP dazu eine Anhörung im Innenausschuss des Landtags beantragt. Geladen war auch der Rechtswissenschaftler Jörg Ennuschat, Professor an der Uni Bochum. Er habe "erhebliche Zweifel" an der Rechtssicherheit dieser neuen Regelung, sagte Ennuschat: Eine Gebührenordnung sei nur dann anwendbar, wenn die Kosten, um die es geht, nicht schon Gegenstand einer anderen Regelung sind.

Genau das aber sei hier der Fall: Im Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW ist unter Paragraf 77 bereits geregelt, dass bei bei "Amtshandlungen", zu denen Zwang erforderlich ist, Gebühren erhoben werden können. Seiner Ansicht nach ergebe das eine "Sperrwirkung", so der Jurist - es dürfe für solche Fälle keine Gebührenverordnung erlassen werden, wenn es bereits ein Gesetz gebe.

Außerdem verstoße die Gebührenordnung gegen das Polizeigesetz NRW. Dort sei zwar geregelt, dass sogenannte Sicherstellung "auf Kosten des Störers" gehen könne, bei unmittelbarem Zwang durch die Polizei seien aber keine Gebühren vorgesehen. Hier übe sich der Gesetzgeber in "beredtem Schweigen", so Ennuschat. Für eine rechtssichere Regelung sei das nicht ausreichend.

Polizei: "Kostenzettelchen und Formulare"

Aus Sicht der Polizei ist die Idee, beispielsweise sogenannte "Klimakleber" für den Polizeieinsatz zur Kasse zu bitten, längst überfällig. Die Frage sei vielmehr, wie sich das Ganze umsetzen lasse, sagte Oliver Huth, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter. Bei ohnehin knappem Personal sei es kaum denkbar sei, dass die Einsatzkräfte schließlich noch dafür sorgen müssten, dass "irgendwelche Kostenzettelchen und Formulare" an die richtige Bearbeitungsstelle gelangen. Auch bei den Kommunen fehle es an Personal dafür.

Das sei eine Aufgabe, die das Innenministerium jetzt "dringend begleiten" müsse, so Huth: "Wir sehen da einen Raum, der nicht geregelt ist." Denn es wäre "ein falsches Signal", wenn der Rechtsstaat erst Gebühren erhebe und sie dann nicht eintreibe. Huth empfahl der Landesregierung, in anderen Bundesländern zu schauen, wie es dort funktioniert.

Der anwesende Polizeigewerkschafter Jens Mohrherr aus Hessen berichtete, dass dort bereits 85.000 Kostenbescheide gegen "Störer" erlassen worden seien. In einem großen Teil der Fälle hätten die Betroffenen allerdings Klage dagegen eingereicht. "Da braucht man einen langen Atem", gab Mohrherr zu Bedenken.

FDP: "Mit der heißen Nadel gestrickt"

Die FDP-Fraktion im Landtag lobte sich selber: Ihr schon im März gestellter Antrag auf eine Expertenanhörung habe "Druck" auf die Landesregierung gemacht. "Ganz offensichtlich wurde unter Zeitdruck schnell noch mit der heißen Nadel gestrickt, um sich in der Anhörung keine blutige Nase zu holen", sagte Sprecher Marc Lürbke. Die Einschätzungen der Sachverständigen habe deutlich gemacht, dass die Landesregierung sich "über einen konsequenten Umgang mit Klimachaoten" offenbar nicht einig sei und statt dessen einen fragwürdigen "Sonderweg durch die Hintertür" wähle. Innenminister Herbert Reul (CDU) müsse nun dringend nachbessern.