Laumann will Arbeitslose besser "fördern und fordern"

Stand: 05.01.2024, 16:46 Uhr

Mit seiner "Fachkräfteoffensive" will NRW auf den Wandel am Arbeitsmarkt reagieren. Jüngere Menschen sollen beim Einstieg in den Beruf besser unterstützt, Bürgergeld-Bezieher besser vermittelt werden.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Robert Solle ist Inhaber eines Dachdeckerbetriebs. Als der WDR ihn in Essen-Kettwig besucht, türmen sich auf seinem Schreibtisch die unbearbeiteten Aufträge. "Da sind schon welche dabei, die da Monate liegen, wo ich nicht zu komme. Es ist einfach zu viel", erklärte Solle Ende letzten Jahres.

Sein Problem ist der Fachkräftemangel im Baugewerbe. Ob Schulsanierung oder Neubau der Feuerwache: ohne Handwerker geht auf Baustellen nichts. So hat auch eine WDR-Umfrage unter allen Kommunen Ende 2023 gezeigt: Der Fachkräftemangel behindert in vielen Städten NRWs zwei Drittel aller Bauvorhaben.

Fachkräfte fehlen aber nicht nur auf dem Bau, sondern auch im Gastgewerbe, der Logistik, Krankenhäusern oder Kitas. Das Land NRW hatte deshalb vor einem Jahr bereits eine "Fachkräfteoffensive" gestartet, die nun ausgebaut werden soll. "Wir haben uns als Land verschiedene Punkte vorgenommen, die wir nun erst einmal prioritär bearbeiten wollen", erklärte Karl-Josef Laumann (CDU), NRW-Arbeitsminister, am Freitag.

Dabei nannte er unter anderem ein besseres Übergangssystem von der Schule in den Beruf, die Vermittlung von Arbeitssuchenden auch aus anderen Ländern sowie mehr Beschäftigung für Menschen mit Behinderungen.

Die Transformation der Wirtschaft werde nur mit ausreichend Fachkräften erfolgreich zu meistern sein, betonte Laumann dabei. Für ihn ist klar: "Die Transformation wird sich an der Arbeitskräftefrage mit entscheiden."

Junge Menschen im Blick

Unterstützt wird die Landesregierung in ihrer Fachkräfteoffensive von der Bundesagentur für Arbeit. "Mit unseren Partnerinnen und Partnern haben wir hier unsere Möglichkeiten eng verzahnt, damit wir junge Menschen noch zielgerichteter beim Übergang von der Schule in den Beruf, sowie Unternehmen bei der Suche nach den passenden Auszubildenden unterstützen können", erklärte Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der NRW-Regionaldirektion.

Karl-Josef Laumann stellt erste Projekte seiner "Fachkräfteoffensive" vor

00:22 Min. Verfügbar bis 05.01.2026


Konkret sollen künftig über 130 "Übergangslotsen" die Schülerinnen und Schüler an den Berufskollegs in NRW bei der Suche nach Ausbildungs- und Praktikumsstellen unterstützen. Damit sollen die Übergänge in Ausbildung deutlich beschleunigt und erhöht werden.

870 Coaches für Schülerinnen und Schüler

Neben den "Übergangslotsen" werden auch spezielle Coaching- und Unterstützungsprogramme angeboten. Das Land NRW stellt dafür 870 Coaches, Lotsen und Begleiter zur Verfügung - und investiert nach eigenen Angaben dafür über 55 Millionen Euro pro Jahr.

Laumann: "Fördern und Fordern"

Flankiert werden soll die Fachkräfteoffensive auch von einer "Vermittlungsoffensive". So sollen etwa die knapp 300.000 Langzeitarbeitslosen in NRW möglichst schnell und umfassend in Arbeit vermittelt werden.

"Aus meiner Sicht ist völlig klar, dass bei den Menschen, die in Bürgergeld sind, Fördern und Fordern zusammengehört", betonte Laumann. Beides gehöre "in einem vernünftigen Verhältnis" zusammen. "Und wir müssen auch als Politiker deutlich machen, dass wir das so wollen."

Integration von Geflüchteten

Angesichts des Arbeitskräftemangels werde auch die Eingliederung von Zugewanderten oder Geflüchteten in den NRW-Arbeitsmarkt immer wichtiger, betonte Laumann. Allein seit 2017 seien zwei Drittel der in dieser Zeit neu geschaffenen 170.000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte besetzt worden.

Deshalb wäre etwa eine stärkere Qualifizierung bei diesen Menschen besonders wichtig, aber auch eine zügige Anerkennung von Berufsabschlüssen. Bislang hätten Menschen aus anderen Ländern oft eine Arbeit unterhalb ihrer Qualifikation angenommen, so Laumann. Dabei appellierte er auch an die Privatwirtschaft, fremde Ausbildungsgänge leichter anzuerkennen. "Duale Ausbildung gibt's in Österreich, der Schweiz und in Deutschland. Überall woanders kennt man die nicht so. Aber da gibt's auch Leute, die Häuser bauen", so Laumann.

50.000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos

Auch Menschen mit Behinderung sollen wieder verstärkt vermittelt werden. Nach Angaben der Landesregierung sind derzeit in NRW 50.000 schwerbehinderte Menschen arbeitslos gemeldet. Davon habe etwa die Hälfte eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine akademische Ausbildung.

Um diesen Menschen wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben, werde derzeit eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, den Unterstützungssystemen und der Landesregierung erarbeitet, teilte das Arbeitsministerium mit. "Am Ende ist jede Inklusion nur dann gelungen, wenn sie auch für Menschen, die im erwerbsfähigen Alter sind, in einer Erwerbstätigkeit mündet, von der sie dann auch leben können", betonte Laumann.

Über dieses Thema berichten wir am 05.01.2024 in den Hörfunknachrichten.

Unsere Quellen:

  • Pressekonferenz von NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) und Roland Schüßler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit
  • WDR-Umfrage zum Fachkräftemangel

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