Mit dem Strukturwandel im Rheinischen Revier ist die Hoffnung auf neue Arbeitsplätze in einer klimaneutralen Modellregion verbunden. Die milliardenschwere Investition von Microsoft in Rechenzentren dort ist ein Schlüssel in der Entwicklung: Der Bürgermeister von Bedburg, Sascha Solbach (SPD), spricht von einem "regelrechten Magneteffekt" für die Investitionen weiterer Unternehmen.
Kaum, dass die Pläne des US-Tech-Konzerns Mitte Februar bekannt waren, kritisierte der BUND NRW, dass für die neuen Rechenzentren wertvolle Ackerflächen versiegelt werden sollen. In einer Online-Petition wenden sich die Umweltschützer nun direkt an Microsoft. Der am Mittwoch gestartete Appell an Agnes Heftberger, Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland, hat am Donnerstag bereits knapp 21.700 Unterschriften (Stand: 16 Uhr).
Die Kritik des BUND NRW
"Warum muss Microsoft dahin gehen, wo jetzt der Roggen wächst?", fragt der Geschäftsführer des BUND NRW, Dirk Jansen, im Gespräch mit dem WDR. Auch wenn es aus kommunaler Sicht nachvollziehbar sei, dass Städte wie Bedburg oder Bergheim die Ansiedlung von Microsoft wollten, es gebe ein grundsätzliches Problem beim Strukturwandel im Rheinischen Revier.
"Es gibt massive Flächenansprüche in der Regionalplanung für Gewerbe und auch für Siedlungen ohne eine entsprechende Bedarfsplanung", kritisiert Jansen. Microsoft stehe hier stellvertretend für eine Fehlentwicklung. Pro Rechenzentrum würden 20 Hektar Fläche benötigt, im gesamten Revier seien Gewerbegebiete auf 4.000 Hektar Fläche geplant.
"Die Landwirtschaft ist der große Verlierer des Tagebaus, tausende Hektar fruchtbarer Böden sind der Braunkohle zum Opfer gefallen", beklagt Jansen. Umso wichtiger sei, jetzt keine weiteren Ackerflächen zu versiegeln.
Bedburgs Bürgermeister: Flächenkonflikte stets im Blick
Sascha Solbach
Sascha Solbach, Bürgermeister von Bedburg, sagte dem WDR: "Mit großer Verwunderung nehme ich die alarmistischen und teilweise auch populistischen Äußerungen des BUND zur Kenntnis." Erneut würden Ökologie und Ökonomie, "fast schon radikal und fundamental", gegeneinander gestellt. Die Region und insbesondere die Kommunen arbeiteten hart am Strukturwandel, "dabei verlieren wir auch die Ökologie und die Flächenkonflikte nie aus dem Blick", versicherte Solbach.
Die Inanspruchnahme von Fläche würde aufgefangen: Es gebe unter anderem Ausgleichsmaßnahmen über das Öko-Konto der Stadt, "also Flächen, die zu besonderen Habitaten werden, Tiere, die umgesiedelt werden". Darüber hinaus seien für das Gewerbegebiet selbst Elemente wie "Pflanzstreifen, begrünte Erdwälle oder Baumpflanzungen" geplant sowie neue Ansätze, um den Versiegelungsgrad besonders niedrig zu halten. Gemeinsam mit Microsoft arbeite die Stadt "an einer bestmöglichen Eigenproduktion und Nutzung von regional erzeugten erneuerbaren Energien".
Bergheim: Keine Alternativ-Fläche in der Größe
Volker Mießeler
Ähnlich äußerte sich auch der Bürgermeister von Bergheim, Volker Mießeler (CDU). Dem WDR sagte er, man befinde sich aktuell in der Erstellung des Bebauungsplans. "In diesem laufenden Verfahren werden selbstverständlich Umweltbelange, Artenschutz und Kompensationsmaßnahmen umfassend berücksichtigt." Diese Ausgleichsmaßnahmen seien ein wesentlicher Bestandteil des öffentlichen und rechtlich verbindlichen Verfahrens. Und Mießeler unterstreicht die Bedeutung von Microsoft: "Diese Ansiedlung schafft Arbeitsplätze und bietet einen Standortvorteil für zukünftige Ansiedlungen und den Strukturwandel", weitere Investitionen würden dadurch angezogen.
Auf dem Bergheimer Stadtgebiet gibt es übrigens, so die Auskunft der Stadt, keine alternative Fläche für Microsoft auf einem versiegelten Areal. Die Tagebauflächen seien bereits rekultiviert und würden seit 11 Jahren als Naherholungsgebiet genutzt. Die Fläche des Kraftwerkstandortes würde frühestens 2033 "als Diskussionsfläche" zur Verfügung stehen. Für ein neues Gewerbe müsse dann erst noch der Rückbau erfolgen, "womit wir wieder Jahre weiter wären". Die nun für Microsoft vorgesehenen Flächen seien "bereits seit Jahrzehnten als Gewerbefläche planungsrechtlich ausgewiesen".
NRW-Wirtschaftsministerium: Nähe zu Datenknotenpunkten wichtig
Das NRW-Wirtschaftsministerium verweist auf den "Reviervertrag 2.0". Darin würden Land und Region grundsätzlich anerkennen, dass zum Ausgleich der unterschiedlichen Flächennutzungsansprüche "ein nachhaltiger Flächenkonsens als Grundlage für einen erfolgreichen Strukturwandel mit den verschiedenen Stakeholdern" gefunden werden müsse, heißt es in einer Antwort an den WDR. "Dabei wollen Land und Region Brachflächen offensiv nutzen und die Flächen nachhaltig entwickeln."
Und das Ministerium benennt einen Punkt, der bei der konkreten Microsoft-Ansiedlung "von entscheidender Bedeutung" sei: "Hier ist die räumliche Flexibilität aufgrund der zwingend notwendigen Nähe zu den bereits vorhandenen Datenknotenpunkten massiv beschränkt."
Und was sagt Microsoft?
Microsoft Deutschland wollte sich auf WDR-Nachfrage nicht zum Thema äußern.