Innenminister Herbert Reul am Redepult im Düsseldorfer Landtag

Reul rastet aus: Innenminister greift AfD in Antisemitismus-Debatte an

Stand: 01.12.2023, 09:23 Uhr

Eigentlich sollte es in der Aktuellen Stunde des Landtags um den Anstieg antisemitischer Vorfälle in NRW gehen. Sie endete mit einem aufgebrachten Innenminister und einer lauten AfD.

Von Rainer StriewskiRainer Striewski

Nach zwei Minuten und einigen Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion platzte Herbert Reul am Redepult im Düsseldorfer Landtag der Kragen. "Ich leg' mal meine Rede weg. Dass Sie hier so einen Antrag stellen, finde ich ungeheuerlich", betonte Reul in Richtung AfD-Fraktion. "Wer in den eigenen Reihen Leute hat, die Antisemitismus täglich propagieren, der sollte hier ein bisschen ruhiger bleiben."

Landtag: Aktuelle Stunde zu Antisemitismus

WDR 5 Westblick - aktuell 30.11.2023 02:49 Min. Verfügbar bis 29.11.2024 WDR 5 Von Bettina Altenkamp


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Debatte auf Antrag der AfD-Fraktion

Markus Wagner (AfD) am Redepult im Düsseldorfer  im Landtag

Markus Wagner (AfD)

Dabei war die Debatte im Düsseldorfer Landtag eigentlich auf Initiative der AfD-Fraktion zustande gekommen. Die hatte wegen des Anstiegs antisemitischer Vorfälle in NRW eine Aktuelle Stunde im Landtag beantragt. Der "hiesige Antisemitismus" wäre schon Herausforderung genug, erklärte dabei Markus Wagner - und führte sodann aus, worauf sein Antrag abzielte: "Allerdings importierten und damit ohne Not zusätzlichen Antisemitismus qua ungesteuerter Migration in unser Land zu lassen - ich frage mich da wirklich, wie da mancher von Ihnen noch in den Spiegel schauen kann", so Wagner.

Grüne: "Das ist menschenverachtend"

"Antisemitische Anfeindungen kommen aus allen gesellschaftlichen Milieus - aus dem Rechtsextremismus, aus linken und auch aus migrantischen Milieus", erwiderte Wibke Brems, Fraktionschefin der Grünen. "Aber eine Aktuelle Stunde zum Antisemitismus zu nutzen, um Hass gegen Muslime zu schüren, das ist einfach nur durchsichtig und schlicht menschenverachtend." Die meisten antisemitischen Straftaten hätten ein rechtsextremes Motiv, so Brems.

Auch Dirk Wedel von der FDP bezeichnete es in der Debatte als "befremdlich", dass sich "ausgerechnet die AfD als Vorkämpfer gegen Antisemitismus inszeniert". Antisemitismus werde von der AfD "primär bei Flüchtlingen und Muslimen gesehen", so Wedel. "Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgesellschaft und in der eigenen Partei nimmt man hingegen kaum zur Kenntnis."

Reul wirft AfD Antisemitismus vor

Und Herbert Reul? Der bekam sich bei seinem Redebeitrag kaum mehr ein. "Was in Ihrer Partei gesagt, gedacht und formuliert wird, spottet jeder Beschreibung. Das ist Antisemitismus!" schrie Reul in Richtung der AfD-Fraktion. "Einen Antrag zu stellen und den Antisemitismus zu beklagen - und in den eigenen Reihen reihenweise Leute zu haben, wo dokumentiert ist, wie die denken. Dann sollten Sie nach Hause gehen und die Debatte beenden", so Reul "Kümmern Sie sich doch lieber darum, die Leute aus Ihrer Partei zu entfernen, statt hier zu diskutieren."

Zahl der antisemitischen Vorfälle stark gestiegen

Nach Angaben des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) wurden im ersten Monat nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel bundesweit 994 antisemitische Vorfälle dokumentiert. Rechnerisch seien das 29 Fälle pro Tag, 320 Prozent mehr als der tägliche Durchschnitt 2022.

Seit Mittwoch treffen sich in Dortmund Oberbürgermeister und Kommunalpolitiker aus Europa, um über lokale Maßnahmen gegen Antisemitismus zu reden. Zu dem dreitägigen "European Mayors Summit Against Antisemitism" sind 180 Spitzenvertreter aus den Städten angemeldet. Auch mehrere jüdische Organisationen nehmen teil.

Gipfeltreffen der Oberbürgermeister gegen Antisemitismus

WDR 5 Westblick - aktuell 29.11.2023 09:48 Min. Verfügbar bis 28.11.2024 WDR 5


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