Alarm in Kliniken und Praxen: Wie brisant ist die Krankheitslage?

Aktuelle Stunde 20.12.2023 UT Verfügbar bis 20.12.2025 WDR Von Sebastian Auer

Viele krank: Angespannte Lage in Kliniken und Praxen in NRW

Stand: 21.12.2023, 10:14 Uhr

Im Rhein-Kreis Neuss wurde versehentlich vor "extremer Gefahr" wegen belasteter Kliniken gewarnt - das war ein Fehlalarm. Dennoch: Tatsächlich sind in NRW Kliniken und Praxen wegen Krankheit derzeit stark ausgelastet.

Die Warnung der NINA-App vor "extremer Gefahr" wegen belasteter Kliniken am Dienstag war ein Fehlalarm. Dennoch: die vier Akutkrankenhäuser im Rhein-Kreis Neuss meldeten, dass ihre Intensivstationen und Notaufnahmen derzeit ausgelastet seien - bei der Patientenversorgung könne es zu längeren Wartezeiten kommen. Außerdem gab es am Dienstag gleichzeitig eine außergewöhnlich hohe Zahl an Rettungseinsätzen. Auch hätten viele Patienten eigenständig die Notaufnahmen in Krankenhäusern aufgesucht.

"Die Patienten strömen zu uns"

Dr. Matthias Laufenberg, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im Lukaskrankenhaus

Dr. Matthias Laufenberg, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im Lukaskrankenhaus

Generell seien derzeit die Stationen und auch die zentrale Notaufnahme beispielsweise im Neusser Lukaskrankenhaus extrem voll, sagt Dr. Matthias Laufenberg, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im Lukaskrankenhaus: "Die Patienten strömen zu uns." Ein Problem seien viele kranke Mitarbeiter: "Der Krankenstand ist doppelt so hoch wie normalerweise. Das belastet unser Personal natürlich immens."

Und der Rhein-Kreis Neuss steht mit der angespannten Lage nicht alleine da: In ganz NRW müssen im Moment viele Patienten versorgt werden - bei gleichzeitig vielen erkrankten Ärzten, Ärztinnen und Pflegekräften. Laut Robert Koch-Institut ist mehr als jeder Zehnte von Atemwegserkrankungen noch betroffen oder war es gerade.

Abteilungen in NRW-Krankenhäusern ausgelastet

Die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW) spricht auf WDR-Anfrage von einer "saisonal typischen Anspannung", weil viele Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte selbst krank seien und deshalb Personal fehle. "Wir erleben aktuell insbesondere in den kinder- und jugendmedizinischen Abteilungen der NRW-Kliniken eine angespannte Situation", so KGNW-Geschäftsführer Matthias Blum. In einzelnen Regionen seien die Abteilungen ausgelastet, weil Kinder mit der Atemwegserkrankung RSV behandelt werden müssen. Insgesamt sei die Lage in den Kliniken aber "auf einem beherrschbaren Level" - von örtlichen Ausnahmen abgesehen.

Laut NRW-Gesundheitsministerium könne es zu "zeitlich und regional begrenzten Überlastungen" kommen. Es gebe aber nicht mehr Personalausfälle als zu dieser Jahreszeit üblich. Die Versorgung in den Kliniken sei gewährleistet.

Die Unikliniken Köln und Düsseldorf verschieben nach eigenen Angaben im Moment vereinzelt planbare Behandlungen und Operationen.

Personal bei Hausärzten auch oft erkrankt

Auch in den hausärztlichen Praxen fehlt im Moment wegen der Krankheitswelle oft das Personal. Gleichzeitig kommen viele Patienten in die Praxen. Der Hausärzteverband Nordrhein spricht von einem "bunten Mix aus den verschiedenen Infektionen und Atemwegserkrankungen". Laut Hausärzteverband Westfalen-Lippe kommen 80 Prozent der Patienten mit Virusinfekten in die Praxen - bei der Hälfte davon gehe es um Corona.

Welche Rolle spielt Corona?

Viele Menschen sind derzeit an Corona erkrankt. Ein Hinweis darauf gibt auch das Abwassermonitoring des Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Vergangene Woche hieß es im Monitoring, es sei noch nie seit Beginn der Messungen so viel Corona im NRW-Abwasser festgestellt worden.

Die Daten geben keinen direkten Aufschluss über die Belastung im Gesundheitssystem. Der Hausärzteverband Nordrhein weist allerdings darauf hin, dass in den Praxen die Zahl der Patienten mit Corona-Infektionen zuletzt angestiegen sei. Die offiziellen Meldezahlen würden das nicht widerspiegeln, da nicht mehr flächendeckend getestet werde.

Wie sollen Patientinnen und Patienten bei einer akuten Erkrankung vorgehen?

In der Regel klinge eine Erkältung nach sieben Tagen ab, informiert der Hausärzteverband Nordrhein. Bei starken Schmerzen (zum Beispiel Hals- und Ohrenschmerzen), großer Müdigkeit, bei Atemnot oder bei stark erhöhter Temperatur (bei Erwachsenen mehr als 39 Grad) rät der Verband dazu, die Hausarztpraxis aufzusuchen.  

Der ärztliche Bereitschaftsdienst unter der Telefonnummer 116 117 sei außerhalb der Praxiszeiten zu erreichen - auch an den Weihnachtsfeiertagen.

Nicht nur die Leitstelle im Rhein-Kreis Neuss bittet grundsätzlich, nicht dringliche oder lebensbedrohliche Notfälle prinzipiell über den Hausarzt in den dafür vorgesehenen Sprechzeiten, oder außerhalb der Sprechzeiten über den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst (Tel.: 116 117) abklären zu lassen und die Notrufnummer 112 (Rettungsdienst und Feuerwehr) für lebensbedrohliche Notfälle freizuhalten.

Was können Patientinnen und Patienten selbst tun, um die Lage zu entspannen?

Wer keine Diagnose oder eine Behandlung, sondern nur eine Krankmeldung braucht, muss nicht unbedingt in die Hausarztpraxis kommen. Es ist möglich, sich am Telefon krankschreiben zu lassen - vorausgesetzt, der Patient oder die Patientin ist in der Praxis bekannt. Mit der telefonischen Krankschreibung können die Hausarztpraxen entlastet werden.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ruft dazu auf, sich impfen zu lassen - um selbst geschützt zu sein und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Laumann verweist auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission: Demnach werden Corona-Auffrischungsimpfungen und Influenza-Impfungen Menschen ab 60 Jahren oder mit chronischen Erkrankungen, sowie medizinischem und pflegerischem Personal empfohlen.

Unsere Quellen:

  • Hausärzteverband Nordrhein
  • Hausärzteverband Westfalen-Lippe
  • Krankenhausgesellschaft NRW
  • NRW-Gesundheitsministerium
  • Rhein-Kreis Neuss
  • Nachrichtenagentur dpa