Corona-Viren gelangen über die Toilette ins Abwasser

Noch nie wurde so viel Corona im NRW-Abwasser gemessen

Stand: 12.12.2023, 08:50 Uhr

Im Abwasser der NRW-Klärwerke tummeln sich aktuell so viele Corona-Viren wie noch nie seit Beginn der Messungen im Juni 2022. Das bedeutet: Es haben seitdem so viele Menschen gleichzeitig Corona wie noch nie.

Von Sabine Schmitt, Philipp Brandstädter

Deutschland hustet und schnieft. Nicht jeder, der davon betroffen ist, hat Corona. Aber Corona ist gegenwärtiger als zuvor. Das gilt nicht nur auf der Straße, im Supermarkt, im Büro oder in der Schule. Es gilt insbesondere auch für das NRW-Abwasser. Das zeigt der Montag veröffentlichte Wochenbericht Abwassermonitoring des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen.

Viruslast im Abwasser so hoch wie nie

Seit Herbst und der frühen Winterzeit sei ein kontinuierlicher Anstieg der Corona-Viruslast im Abwasser nachweisbar, sagt eine Sprecherin des Landeszentrums Gesundheit NRW. Das lasse auf eine Zunahme der Infektionsdynamik schließen - und bedeutet so viel wie: In Kürze werden wohl noch mehr Menschen an Corona erkrankt sein als aktuell. Dabei ist die Kurve des prozentualen Anstiegs bei Neuinfektionen schon jetzt auf einem Höchststand: Obwohl der Winter und die Erkältungszeit gerade erst begonnen haben, liegt die Kurve höher als jemals im vorigen Winter.

Prozentualer Anstieg in Bonn am höchsten

Beim Abwassermonitoring gibt es keine absoluten Zahlen zu Corona-Fällen. Gemessen wird die prozentuale Veränderung der Viruslast im Vergleich zur Viruslast am gleichen Proben-Nahmetag zwei Wochen zuvor. Ab einer prozentualen Zunahme von 15 Prozent sprechen die Experten des Landeszentrums Gesundheit von "stark steigend".

Die letzten berücksichtigten Messwerte der Viruslast stammen vom 29.11.2023. In zwölf der 14 beprobten Anlagen wurde eine steigende Viruslast gemessen. Am höchsten war der prozentuale Anstieg an der Kläranlage Bonn-Salierweg mit 135 Prozent.

Mehr Menschen wegen Corona auf NRW-Intensivstationen

Das Entscheidende sei aber die Belastung der Intensivstationen und die Belegung durch Corona-Patienten sei noch gering, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann am Dienstagmorgen dem WDR. Die Zahl der Coronafälle in den Krankenhäusern steigt zwar: 235 Patientinnen und Patienten sind aktuell laut dem DIVI-Intensivregister wegen oder mit einer Covid-Infektion auf einer Intensivstation in NRW (Stand 12.12.2023). Das sind im Vergleich zum August viele: Am 27.8. lag die Zahl der Patienten bei 44, am 1.8. waren es 14 Patienten. Gleichzeitig sind aber noch 350 der insgesamt 3.773 Intensivbetten in NRW frei.

"Ich denke, dass es richtig ist, dass man vorsichtig ist", so Laumann – jeder wisse ja, wie er sich schützen kann. Staatliche Vorgaben wie eine Maskenpflicht schloss er aber aus, dazu fehle inzwischen auch die gesetzliche Grundlage. In vollen Zügen oder Büssen gebe es aber gute Gründe eine Maske aufzusetzen.

7-Tage-Inzidenz nicht mehr aussagekräftig

Das Abwassermonitoring spielt eine wichtige Rolle, um das Infektionsgeschehen zu beobachten. Denn seit dem 1. März gibt es in Deutschland keine Testpflicht mehr. Die meisten Infizierten machen deshalb keinen PCR-Test mehr und tauchen in der Statistik der 7-Tage-Inzidenz nicht mehr auf. Die 7-Tage-Inzidenz hat daher nur noch wenig Aussagekraft. Sie liegt in NRW laut Landesgesundheitsministerium bei 24,1 (Stand 11.12. 2023).

Mit dem Abwassermonitoring will das Land NRW einen Überblick über das Infektionsgeschehen im Land bekommen und Corona-Wellen erkennen - auch schon bevor die Zahlen hoch sind. Für das Gesundheitsministerium NRW ist das Abwassermonitoring ein Frühwarnsystem - etwa um überfüllte Krankenhäuser zu vermeiden.

Ein weiterer Pluspunkt der Kloakentests: Sie können auch neue Varianten frühzeitig entdecken.

In welchen Kläranlagen in NRW findet Corona-Abwassermonitoring statt?

Zurzeit wird das Abwasser in NRW in bis zu 14 Kläranlagen auf Corona getestet - und zwar an folgenden Orten:

Mit diesen Kläranlagen wird laut Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen das Abwasser von etwas mehr als fünf Millionen Einwohnern aus NRW erfasst - das entspricht fast 30 Prozent der Menschen in NRW.

Das Land NRW plant, die Tests auf voraussichtlich 22 Kläranlagen auszuweiten, sagt das Landeszentrum Gesundheit.

Wie wird Abwasser auf Corona getestet?

In den Kläranlagen werden zweimal die Woche Proben genommen. Das Ziehen der Proben erfolgt vollautomatisch, erklärt der Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft/Lippeverband.

Kläranlage Bottrop testet Abwasser auf Corona

Kläranlage Bottrop testet Abwasser auf Corona

Eine Maschine entnehme über 24 Stunden in regelmäßigen Abständen Abwasser und mische diese. Zweimal die Woche entnehme dann ein Mitarbeitender eine Probe und sende diese ans Labor für die Analyse.

Auf Basis dieser Daten veröffentlicht das Landeszentrum für Gesundheit (LZG.NRW) jeden Montag neue Werte.

Wie zuverlässig sind die Werte?

Das Abwassermonitoring in NRW ist Teil eines bundesweiten Forschungs- und Pilotvorhabens. Der Ansatz wird von Wissenschaftlern noch weiterentwickelt. "Das Infektionsgeschehen lässt sich aus den Daten des Abwassermonitorings bisher nicht immer zuverlässig abbilden", sagt eine Sprecherin des Landeszentrums Gesundheit Nordrhein-Westfalen.

Die Daten sind aber wichtig und ergänzen den Mix an Indikatoren, die Auskunft über die Anzahl an Corona-Infektionen in NRW geben. Weitere Indikatoren dafür sind die Krankenhausbelegung und die 7-Tage-Inzidenz.

Wie verhalte ich mich, wenn ich Corona habe?

  • Zu Hause bleiben: Das NRW-Gesundheitsministerium bittet Erkrankte um verantwortungsvolles Handeln: "Für Corona-Infizierte in NRW besteht seit 1. Februar keine Isolationspflicht mehr. Es kommt nun noch stärker auf die Eigenverantwortung eines jeden Einzelnen an. Wer krank ist, sollte zu Hause bleiben", sagte ein Sprecher.
  • Testen: Wer sich nicht sicher ist, ob er eine Erkältung hat oder Corona kann einen Test machen - die gibt es immer noch in Supermärkten, Drogerien und Apotheken günstig zu kaufen.
  • Maske tragen: Wer Corona hat und unbedingt aus dem Haus muss, kann mit einer Maske andere vor einer Infektion mit Corona schützen.

Unsere Quellen:

  • Aktueller Wochenbericht Abwassermonitoring
  • Infos vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen
  • Infos vom Wasserwirtschaftsverband Emschergenossenschaft/Lippeverband
  • Infos vom NRW-Gesundheitsministerium